Der Literaturkritiker Fritz J. Raddatz äußerte sich im Inteview mit Bettina Röhl für die Netzeitung im Januar 2005 zu Elfriede Jelinek:
Das Chaos im Kopf von Rudi Dutschke
28. Jan 2005 07:13
Fritz J. Raddatz war der Verleger der 68er. Bettina Röhl sprach mit ihm über Kunst, Macht und das geistige Klima, aus dem einst die RAF entstand.
Netzeitung: Sie haben Elfriede Jelinek in den sechziger Jahren als damaliger Programmleiter und Cheflektor von Rowohlt entdeckt. Hätten Sie Frau Jelinek den Literaturnobelpreis verliehen?
Raddatz: Da bin ich unsicher. Ich fand die frühen Arbeiten von ihr interessanter als die späteren, was das Literarische betrifft. Ich finde ihre Zerhackmethode der Sprache inzwischen eher fragwürdig. Ihre politischen Aktivitäten und politischen Interventionen finde ich völlig in Ordnung, die würde ich alle mit unterschreiben, mittragen, mit verlegen, was Sie wollen. Aber die literarische Methode scheint sich sehr verselbständigt zu haben, so dass ich damit inzwischen – obwohl Mitentdecker der Dame – größere Schwierigkeiten habe.
Sie sagt ja selber von sich: Ja, ich mache Sprache kaputt, ich schreibe eigentlich gar nicht, ich zitiere nur und zerstöre Sprachgebäude. Das stört mich enorm, und ich war bei manchen Theaterabenden sehr unglücklich darüber, weil ich dachte, also nur zitieren und schreiben, was in der Kronenzeitung stand oder was ein Polizist gesagt hat usw. – das ist alleine noch kein Corpus eines Kunstwerkes.
Netzeitung: Wie haben Sie Frau Jelinek kennen gelernt und entdeckt?
Raddatz: Anfang der Sechziger hatten wir beide, Ledig-Rowohlt und ich, plötzlich einen gewissen Österreich-Tick entwickelt. Damals explodierte vor allem in Wien ein junger, verrückter Geniekult, eine ganz spezielle Kultur, und wir begaben uns öfter dahin, um diese frischen, neuen Talente kennen zu lernen. Es war also nicht so, dass ein Zufall namens Pinzette sich die Jelinek rausgeangelt hat. Damals sind auch das erste Buch von der Friederike Mayröcker oder Konrad Bayer bei Rowohlt erschienen, sowie 1967 der Band von Gerhard Rühm «Die Wiener Gruppe».
Netzeitung: Hatten Sie andere Favoriten für den Literaturnobelpreis?
Raddatz: Ich hätte mich sehr gefreut, wenn zum Beispiel Philip Roth, um mal außerhalb der Landesgrenzen zu gehen, oder John Updike den Literaturnobelpreis gekriegt hätten. Die beiden schätze ich besonders und kenne ihr Werk genau. Ich habe übrigens auch Philip Roth für den deutschen Leser entdeckt und die ersten Bücher von ihm bei Rowohlt verlegt. Also das scheint mir ein stärkerer Corpus eines Werkes zu sein, als der von Frau Jelinek.
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"Gewaltpornographie"
Der 83.jährige Literaturkritiker Knut Ahnlund, 83-jähriger emeritierter Professor für Nordische Literatur, der seit 1983 Mitglied der 18.köpfigen Akademie in Schweden sitzt, die den Nobelpreis für Literatur bestimmt, hat sich hat sich in der Stockholmer Tageszeitung Svenska Dagbladet scharf gegen die Verleihung des Literaturnobelpreises im Jahr 2004 an Elfriede Jelinek geäußert:
"Der Nobelpreis von 2004 hat nicht nur alle progressiven Kräfte in nicht wiedergutzumachender Weise beschädigt, sondern auch in der Öffentlichkeit eine Konfusion darüber geschaffen, welche Kunstform Literatur denn eigentlich ist."
"Eine monomanisch, eingleisige Verfasserschaft, eine Textmasse, die ohne die Spur einer künstlerischen Strukturierung zusammengeschaufelt ist."
"Elementares Durcheinander wird als ,Reichtum an Assoziationen' verkauft, ein Übermaß an Gräulichkeiten als ,Freisein von Tabus', der sprachliche Zerfall als ,virtuoses Spiel mit der Sprache' oder gar als ,meisterliche Sprachdeformation'." Dabei sei ihr Werk "arm und dürftig", weil sie andere Aspekte des Menschen als "Erniedrigung, Unterdrückung, Schändung, Ekel vor sich selbst, Sadismus und Masochismus" nicht sehe. Vielmehr seien ihre Bücher "Gewaltpornografie".
siehe auch der Bericht in der
taz
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