Der jahrzehntelange Dauerbrenner „RAF“ hätte nach dem historisch-politischen 20 Millionen Euro - Flop des Eichinger-Filmes „Der Baader-Meinhof-Komplex“, der 2008 in die Kinos kam, sein Ende gefunden haben können. Und in der Tat lief das Thema RAF vorübergehend etwas schlechter. Doch jetzt aus dem Nichts ohne Not die „Ereigniskarte“ des Spiegel-Autors Michael Sontheimer: Gehen Sie zurück auf Los! Werfen Sie jeden zwischenzeitlichen Erkenntnisgewinn über die RAF über Bord! Vergessen Sie alles! Einzig erlaubtes Gepäck: die uralten RAF-Mythen und Legenden.
In seinem gerade erschienenen Buch „ Natürlich darf geschossen werden“ liefert der Autor, leicht und seicht zu lesen, seine Geschichte der RAF, die so porös und so unreflektiert, so unpolitisch und unhistorisch daherkommt, dass man fassungslos sein muss.
Der Journalist Michael Sontheimer, der schon sehr früh als Taz-Mitbegründer und als Zeit-Redakteur in den achtziger Jahren Interviews mit Terroristen, wie Astrid Proll, Bommi Baumann und Peter Jürgen –Boock machte und mit vielen von ihnen seit Jahrzehnten geradezu freundschaftlich verkumpelt ist, ist eine der wesentlichen Figuren, die die Fehlverarbeitung der RAF in der Bundesrepublik ganz originär mit zu vertreten hat. Allerdings stand Sontheimer immer im Schatten von Stefan Aust, der am Ende immer alle Storys der Raffer für seine Bücher, Filme und Medien absahnte und an sich riss, die andere, wie zum Beispiel Sontheimer, vorbereitet, gemacht, organisiert hatten.
Wie kann es angehen, dass Sontheimer einerseits über Astrid Prolls angebliche Isolationshaft schwadroniert und an anderer Stelle ihren Namen verschweigt, wo dessen Nennung geboten wäre:
An der Stelle im Buch, wo er von der „Befreiung“ eines gewissen Andreas Baader spricht, gemeint ist dessen Gefängnisausbruch am 14.Mai 1970, möchte er mit Detailwissen glänzen. Er beschreibt dezidiert, wie diejenigen Gründungsmitglieder der RAF, die Schusswaffengebrauch im Zusammenhang mit dem Gefängnisausbruch von Baader einkalkuliert hatten und einen Menschen lebensgefährlich verletzt hatten und daher konsequenterweise wegen versuchten Mordes strafrechtlich verfolgt wurden, lapidar in einem „Alfa Romeo“ flüchteten. Warum schreibt er nicht: diesen Alfa Romeo hat eben jene Astrid Proll gesteuert, sie lenkte eines der beiden Fluchtfahrzeuge. Das ist alles öffentlich bekannt, aber warum schreibt Sontheimer es hier nicht auf, wo er doch ohnehin nur sattsam Bekanntes liefert.
Das große Schlussplädoyer im Buch heißt „Aufklärung“, aber Sontheimer übt eine sehr willkürliche Selektion, man muss es so hart sagen, wie es ist, zu Gunsten seiner Lieblings-Täter. Immer wieder findet man im Buch Formulierungen wie diese: „Ein ehemaliger RAF-Mann erinnert sich“. Wer, möchte man Sontheimer fragen, erinnert sich.
Aufklärung, so Sontheimers Trick, der allerdings auch ein alter Hut ist, würde der Rechtsstaat verhindern, in dem er durch die Verfolgung der in Deutschland nicht verjährbaren Mordtaten der RAF die Aussagelust der Täter auf Null herabsenkte. Also propagiert Sontheimer, was die RAF schon immer wollte, freies Geleit für die RAF: Straffreiheit und ein gehätscheltes prominentes Leben gegen das Aufzählen, welcher Terrorist welche Tat beging.
Freies Geleit für die letzten NS-Verbrecher? Freies Geleit für die organisierte Kriminalität? Freies Geleit für jeden Vergewaltiger, für jeden Mörder? Abschaffung der Unverjährbarkeit des Mordes? Abschaffung jedweder strafrechtlichen Sanktion für jede Plaudertasche, die ihre kriminellen Aktionen im Gerichtssaal zugibt und beschreibt?
Die speziellen Gesprächspartner von Sontheimer, Proll, Baumann, Boock (und einige andere, die mal namentlich erwähnt, mal vernebelt werden) haben in den letzten dreißig Jahren allerdings über ganz wenige Sachverhalte schon so viel Unterschiedliches, teils Gelogenes, teils nicht Verstandenes, teils Gewünschtes erzählt, dass nicht mehr mit Zuverlässigkeit gesagt werden kann, welchen Sinn und Wahrheitsgehalt hat, was sie Anno 2010 zu Protokoll geben. Auch sie selbst dürften sich die Dinge schon so oft schön geredet haben, dass sie ihre eigenen Taten nicht mehr werthaltig beurteilen und wieder geben können.
Das Buch ist ein einziger RAF-Brei von jemandem, der keine journalistische Draufsicht hat, sondern mitten drin steckt im RAF-Zirkus. Es ist Mainstream, was Sontheimer hier geliefert hat und die RAF ist, wie mans dreht und wendet, Teil des medialisierten Mainstreams. Dazu gehört heute auch, dass Kritik an der RAF punktuell auch schon mal etwas deftiger als früher üblich artikuliert wird, die RAF dann plötzlich auch mal als „Killertruppe mit Genickschusstaktik“ bezeichnet wird, aber per Saldo bleibt es bei einer Hymne auf die RAF. Der Leser erfährt allerdings nicht, welches eigentlich ihre Ziele waren. Das sagt Sontheimer sogar selbst an einer Stelle, ohne aber in der Lage zu sein daraus die Konsequenzen zu ziehen. Es bleibt bei dem ewig noch nie schlüssig begründeten Generalverdacht gegen die Bundesrepublik Deutschland, und bei dem nie schlüssig begründeten politischen Widerstandskampf, den die RAF angeblich geführt hätte. Es bleibt per Saldo dabei, so wie es die RAF selber wollte: ihr Tun war nicht kriminell, es war hochmoralisch, auch wenn es zum Teil ins Unmoralische abglitt und es entzog sich jeder Justiziabilität.
Sontheimer glorifiziert die RAF in vielen beiläufigen Beschreibungen unendlich: Che Guevara nennt er kurz und bündig einen „selbstlosen Guerillero“, Gudrun Ensslin ist für ihn eine „hochkarätige Intellektuelle“. Baader und Ensslin nennt er die „Doppelspitze der RAF“. Jan-Carl Raspe ist der „fähigste Techniker der Terrorgruppe“, Baader ein „Bohemian“, Ensslin eine Doktorandin usw.
Und er erklärt: „Straftäter, die derartig entschlossen, organisiert und intelligent vorgingen, waren in der Bundesrepublik ein Novum“. Wenige Absätze weiter heißt es dann: „… in Wahrheit musste die Gruppe ständig improvisieren. „
Einerseits heißt es, die Gruppe war „politisch isoliert“, andererseits erwähnt er zutreffend, dass 40 % der Befragten einer Allensbachumfrage angaben der RAF politische Motive zuzugestehen und dass jeder siebte Deutsche nicht ausschließen würde einem RAF-Mitglied Unterschlupf zu gewähren.
Slapstickartig wird Sontheimer, wenn er formuliert: „Die Gruppe hatte ein großes Problem. Sie wollte den bewaffneten Kampf aufnehmen, hatte aber keine Waffen.“ Die RAF und ihre Gründer hatten tatsächlich ein „großes Problem.“ Das bestand aber in ihrem Realitätsverlust und in ihrer ideologischen Verblendung, woran Sontheimer noch im Jahr 2010 scheitert, wenn er nicht nur an dieser Stelle Insiderwitzchen unreflektiert als eigenen Text wieder gibt.
Der RAF-Propaganda, dass der Staat Isolationsfolter gegen die Inhaftierten RAF-Täter geübt hätte, widmet das Buch breiten Raum, um wenige Zeilen später von den ausgiebigen Besuchen der Anwälte in den Gefängnissen zu schwärmen. Und dann kommt es Schlag auf Schlag.
Es heißt die RAF-Anwälte waren „ die wichtigsten Verbindungsleute zur Außenwelt, insbesondere zu den „Illegalen“, den Kadern im Untergrund“, um dann um nächsten Satz die diesermaßen beschriebenen Anwälte, die ihre Verteidigerstellung missbrauchten und mit ihrem Tun den bewaffneten Kampf der RAF aktiv förderten, also im Klartext selber terroristisch mittaten, gegen konservativ genannte Politiker und böse Medien in Schutz zu nehmen, die diesen Missstand benannt hätten.
Das Buch ist nicht sehr umfangreich. Es ist schmal, und es ist schon erstaunlich mit wie vielen Widersprüchen, zum Teil krassen Widersprüchen, die alle zum bekannten Handwerkszeug der RAF-Propaganda gehören, der Leser fertig werden muss.
Dazu kommen die klassischen Mythen der RAF, die alle samt und sonders gepredigt werden. Ein paar Beispiele:
1. Mehrfach wird im Buch angedeutet, dass es sich bei der RAF um ein „sehr deutsches Phänomen“ handelte. Der antifaschistische Widerstandskampf, 25 Jahre nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches, im sicheren Hafen der Willy Brandt –und Helmut Schmidt-Bundesrepublik, wird verschiedenen Orts gequält. Dazu muss man einfach sagen: Die RAF war gerade keine antifaschistische Widerstandsangelegenheit. Sie war eine krypto-kommunistische Revolutionsbewegung, die sich am Völkermörder Mao Tse Tung orientierte.
2. Der Satz, dass später „Wissenschaftler“ heraus gefunden hätten, dass die meisten, die sich der RAF anschlossen, zuvor „bei Demonstrationen von Polizisten zusammen geschlagen worden waren“, ist einfach nur peinlich. Da müsste dann doch verifiziert werden, welcher Wissenschaftler aufgrund welcher Tatsachen welchen Polizeiangriff in welchem Zusammenhang heraus gefunden hat. Die RAF stilisiert sich allzu gern zum Opfer, das ist eine ihrer Maschen.
3. EX-Bundesinnenminister Gerhard Baum kommt unkommentiert so zu Wort, dass „entscheidend für die Eskalation zum Terrorismus“ der Axel Springer-Verlag gewesen sei. Bei aller Liebe, das ist Quatsch, der durch das über die Jahrzehnte andauernden Skandieren dieser Nummer nicht besser wird.
4. Verleger Klaus Wagenbach, der selber an dem Gefängnisausbruch Andreas Baaders, nach eigenem Bekunden, nicht unbeteiligt war, und mit teils extrem linker Literatur damals sein Vermögen machte, kommt auch zu Wort: „Der Sound dieser Jahre war die Wut auf den Staat“. Nein! Die arbeitenden Massen in Westdeutschland waren zum Leidwesen der DDR und der Westkommunisten am Italienurlaub, am Autokauf, an Waschmaschine und Kühlschrank, an Arbeitszeitverkürzung, und am Sozialstaat interessiert. Sie waren, wie Wagenbach, nur sehr viel bescheidener am Money-maken dran. Und Baader und Ensslin waren an Luxus und an Ruhm interessiert, an schnellen Autos, schicken Klamotten und Donald-Duck-Heftchen, was Sontheimer an anderer Stelle beschreibt. Der „Sound der Zeit“ den Wagenbach gehört haben will, war das „Elend der Intellektuellen“ in Deutschland, wie Politikwissenschaftler Kurt Sontheimer es einst formulierte. Diese unzufriedenen und zugleich sattgefressenen Intellektuellen waren die Wegbereiter der studentischen Unruhen, die zur RAF führten.
5. Und natürlich trotz der neuen Enthüllungen zu Todesschütze Kurras aus dem Jahr 2009 werden die Schüsse auf Benno Ohnesorg als die ersten Schüsse, die die RAF erst ausgelöst hätten, vorgeführt.
Ein Manko des Buches: Die Einbettung der RAF in die 68er-Bewegung kommt mit keinem Wort vor. Andere Terrororganisationen, wie die Revolutionären Zellen, speziell in Frankfurt oder terroristische Erscheinungen in der dortigen Spontiszene und die unaufgeklärten Taten dort, finden im Buch überhaupt nicht statt, obwohl eine isolierte Erklärung der RAF gar nicht möglich ist. Und auch die im Kontext wichtigen Bedingungen des Kalten Krieges werden im Buch nicht dargestellt.
Sontheimer bemüht den altbekannten Mief der Adenauer-Zeit, der noch erst erklärt werden müsste und dagegen lässt er die im Ergebnis faschistisch agierenden Roten Garden Mao Tse Tungs als Vorbilder der RAF unkommentiert auftreten.
Das Buch ist eine geschrumpfte Variante des Austschen Baader-Meinhof-Komplexes ohne neue Tatsachen, ohne neue Sichtweise und mit keiner einzigen neuen Idee.
Die völlig überhöhte RAF wird mit Büchern wie diesem ad infinitum perpetuiert.
Rezension zu Michael Sontheimer „Natürlich kann geschossen werden“ Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion" Frankfurter Rundschau
Salve Signora Rohl,quello che dice e' vero,Baader era comunista ma amava le belle macchine, le porche in particolare.Bisogna ricordare che Baader in fin dei conti era il meno intelletuale del gruppo R.A.F.Sicuramente sua Madre e la Gudrun avevano una formazione intelletuale piu' approfondita.Lei in un'intervista dice <>questo dimostra che la coerenza era' un tratto caratteristico della bellissima personalita di sua Madre.Cordiali saluti.
Kommentiert von: Antonino Bagala' | Juli 27, 2010 um 08:33 nachm.
Lei in un intervista dice<>.
Kommentiert von: Antonino Bagala' | Juli 27, 2010 um 08:38 nachm.
Mia madre aveva dei vestiti molto belli,ma li teneva chiusi in un baule,preferiva vestirsi in modo piu' dimesso.
Kommentiert von: Antonino Bagala' | Juli 27, 2010 um 08:41 nachm.
Jetzt fühle ich mich diskriminiert, hier werden Gemeinsamkeiten zwischen Baader und Enslin mit mir konstruiert:
war ich doch damals auch an gesellschaftlich fortschrittlichen "Donald-Duck-Heftchen" interessiert, konnte mir aber nie Fix-und-Foxi (Achtung, als reaktionär verschrien) und Micky Maus gleichzeitig leisten.
Aber im Ernst: die immer noch freilaufenden geradezu religiösen Meinhof-Jünger mutieren in meinem Beisein gerne zu Roland-Freisler-Klonen, nur weil ich ihnen genervt entgegenhalte, "natürlich darf geschossen werden" müsse dann aber auch mir erlaubt sein. Auf einmal ist das dann verboten.
Kommentiert von: Hessenhenker | Juli 29, 2010 um 07:21 vorm.