Hire and Fire: „Finger weg von der Tarifautonomie!“
von Bettina Röhl
Mit diesem Verzweiflungsschrei versuchten die Gewerkschaften zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Auch hier zeigt sich, dass gedankliche oder sprachliche Ungenauigkeiten mit politischer Ineffizienz einhergehen können.
Die roten und die grünen Sozis hauen im Zuge ihrer so genannten unumgänglichen Reformen immer mehr Personen aus dem Anwendungsbereich des Arbeitsrechtes heraus, und sie tun ein Weiteres: sie minimieren die Schutzwirkung des Arbeitsrechtes. Die Reichen werden immer reicher, die Armen werden immer ärmer- das ist bei Sozis normal, weil sie in ihrem wirtschaftlichen Dilettantismus darauf angewiesen sind, dass ihnen die Kapitalisten mit ihrem Sachverstand aushelfen, damit sich die EX – DDR der BDR angleicht und nicht das Schlimmste passiert, und sich die Wirtschaft der BRD jener der untergegangenen DDR und der dortigen ideologischen Misswirtschaft nähert.
Bei dieser von den Sozis geöffneten Einkommensschere wird auch der Staat immer ärmer, was die einfallslosen so genannten Linken roter und grüner Provenienz zu der intelligenzbestialischen Hochleistungsidee brachte den Soziale - Hilfe - Empfangenden die öffentliche Knete zu kürzen, womit in gleicher Höhe deren Nachfrage auf dem Markt verschwindet. Der Markt soll halt lieber von den Reichen angekurbelt werden, als von den Armen.
Tarifautonomie ist ein fester Terminus und meint, dass die Arbeitgeber und die Arbeitnehmervertreter unabhängig vom Staat autonom aushandeln, was Lieschen Müller und Hänschen Schulze denn so tarifvertraglich verdienen sollen.
Nun wollen die Sozis, frei nach dem Motto: Wir haben den Durchblick verloren und müssen aber mal eben schnell die Wirtschaft ankurbeln, den starren tarifvertraglichen Regelungen den Garaus machen und das Arbeitsrecht mehr oder weniger beseitigen. Mit anderen Worten: Jeder Betrieb, jede Filiale, jede Kostenstelle soll zu jeder Jahreszeit und nach der gegebenen zukünftigen oder gewesenen Ertragslage oder nach der herrschenden Windrichtung machen können, was er will und arbeitsvertraglich vereinbaren können, wonach ihm der Sinn steht. Frühkapitalistische Zustände also: Catch as catch can oder Hire and Fire heißt die Devise, bei der am Ende die Gewerkschaften de facto ihrer enormen Streikmacht beraubt sind, und der kleinste Betriebsrat zum Popanz wird und sich die Gewerkschaften in der Tat von selbst erledigen.
Dann können die Manager, so die Hoffnung, die mit kapitalistischem Handwerk angeblich nichts mehr verdienen, ihr Arbeitsergebnis dadurch etwas besser aussehen lassen, dass, wenn auch ohne ihr Zutun, wenigstens die Lohnkosten sinken. Die so zum Sinken verurteilten Lohnkosten lassen dann die Firmengewinne ohne jede originäre Managmentleistung von alleine steigen, wenn den Firmen dann auch die Nachfrage der gesunkenen Arbeitnehmereinkünfte fehlt.
Diese Wirtschaftsankurbelung auf Kosten der Arbeitnehmer verkennt jedoch, dass die Wirtschaft kein Selbstzweck ist, sondern im Gegenteil gerade Lebensgrundlage für die „arbeitenden Massen“ sein sollte, wie die Sozis ihre eigene Klientel gern nannten.…….
Es gibt, um es klar beim Namen zu nennen, überhaupt nicht die Situation, dass die amtierende rot – grüne Regierung in die traditionsreiche Tarifautonomie formal gar nicht eingreifen will, vielmehr geht es darum, dass die Regierung die normierten Spielregeln nach denen Arbeitgeber und Gewerkschaften bisher, beide sehr starr - und dem Staat gegenüber autonom - untereinander zu spielen hatten, deregulieren respektive gänzlich abschaffen will, wodurch die Gewerkschaften dem Staat gegenüber weiterhin völlig autonom bleiben, aber im tatsächlichen Geschehen des Wirtschaftskreislaufes soweit entmachtet werden, dass sie ihre Existenzberechtigung beraubt werden.Die Regierung will also den Tarifpartnern nicht ihre Autonomie im Verhältnis zum Staat nehmen, sondern in einem anderen Sinn desselben Begriffes „Autonomie“ den Tarifparteien untereinander im Verhältnis Gewerkschaften / Arbeitgeber durch Deregulierung oder gar Abschaffung der starren Spielregeln geradezu noch mehr Autonomie jedem einzelnen Betrieb, jeder einzelnen Firma gewähren.
Fatalerweise bedeutet dies was mit der Formulierung „Eingriff in die Tarifautonomie“ sehr irreführend beschrieben ist, dass die Polarität des gesamten Wirtschaftsausbaus in dem Spannungsfeld zwischen Kapital und Arbeit insofern aufgelöst wird, als die Gewerkschaften obsolet gemacht werden und letzten Endes in Wegfall gelangen werden.
Das macht den amtierenden Gewerkschaftlern wahrscheinlich nichts, weil die meisten Gewerkschaftsbonzen im Regelfall ja noch einen Posten bei der guten alten Tante SPD bekommen können, was der Grund dafür ist, dass sie nicht genügend um die Gewerkschaften kämpfen. Um die Existenz der Gewerkschaften und deren Bosse müsste man trotz allem eigentlich kämpfen, weil der Antagonismus zwischen Kapital und Arbeit, der täglich und flexibel ausbalanciert werden muss, voraussetzt dass auf beiden Seiten einigermaßen gleichstarke institutionalisierte Vertretungsapparate agieren.
Es muss Arbeitgeberverbände ebenso wie Gewerkschaften geben, die diesen Namen auch wirklich verdienen. Es ist im originären Interesse der Wirtschaft, dass die Gewerkschaften eben nicht qualitativ geschwächt werden. Die Kapitalvertreter müssen sich mit den Arbeitnehmervertretern in gesundem Streit balgen, das schafft Stabilität, verhindert Rückfall zum Manchester- Kapitalismus und verhindert so letzten Endes auch Umsturzreaktionen wenn’s einmal zu arg käme.
In den Siebzigern waren es nicht zuletzt Gruppierungen wie die Jusos unter Schröder oder Wiezcorek – Zeul, die damals linkspopulistisch mit medialer Unterstützung den Sozialstaat überdehnten und damit die Gewerkschaften übermächtig machten. Aus dieser eigenen Erfahrung heraus unterliegen Schröder und seine alten Weggefährten heute leider dem Irrtum, dass sie nun, wiederum populistisch, sich nur beim Kapital anzubiedern bräuchten und jetzt umgekehrt die Gewerkschaften kastrieren müssten, und zack liefe die Wirtschaft wieder. Die Überkompensation der eigenen ideologischen Fehler aus den Siebzigern, als man noch die Wirtschaft und die Etablierten hasste, bringt jedoch wie jede Überkompensation nichts Gutes. Wenn die Wirtschaft aktuell sich erholen sollte, dann weder wegen der Allparteien – Koalition in Sachen der aktionistischen Reformierei um ihrer selbst Willen noch trotz, sondern weil die Wirtschaft Gott sei Dank zu einem guten Teil völlig unabhängig von den Schröders und Stoibers und co. auch von alleine läuft.
Sozialabbau und Gewerkschaftsabschaffung, ein Rad an dem auch die Kirchen und selbst Ideologieverblendete wie die PDS mitdrehen, ist ein geistig – moralisches Armutszeugnis für ein Land wie die Bundesrepublik. Das nun ausgerechnet diejenigen an der Macht sind, die für die Ergebnisse der Pisa – Studien wesentlich verantwortlich zeichnen, in dem sie die Naturwissenschaften und Leistung an sich abschafften und durch ideologisierte Geisteswissenschaften ersetzten, ist misslich. In der Bundesrepublik kann es nur um eines gehen, nämlich um Leistung und Spitzenleistung und ein Unternehmer, der nur Kohle machen kann durch Senkung der Lohnkosten oder der weit übergewichteten Lohnnebenkosten, soll noch einmal zur Wirtschaftsschule gehen und dann den Beweis für seine Existenzberechtigung als Kapitalist erbringen.
Die Jammerei, dass alles Soziale der Tod wirtschaftlicher Profitabilität ist, ist in dieser üblich gewordenen krassen Form verhehrend für die Gesellschaft. Auch der demographische Faktor ist keine geeignete Begründung dafür dass man nun anfängt, Behinderten spezifische Zuwendungen drastisch zu kürzen und ist auch kein geistig-moralisch-politischer Freibrief für die Regierung.
Bei der Entmachtung der Gewerkschaften bewirkt jedoch die rot – grüne Regierungspolitik mit ihren Gesetzesmaßnahmen nur einen Teil der Entmachtung der Gewerkschaften. Den anderen Teil übernehmen die Medien, die anders als in den Siebziger Jahren eben nicht mehr auf der Seite der Gewerkschaften bzw. auf der Seite der Arbeitnehmer stehen, sondern nun ihrerseits den Arbeitnehmervertretungen mit ihrer Berichterstattung den Rest geben. So ist die Situation entstanden, dass die Gewerkschaften, die sich in den Siebziger Jahren noch sicher sein konnten, dass die Medien selbst bei dem größten Unsinn auf der Seite der Gewerkschaften standen, ohnehin nur noch das rein gesetzliche Fundament gerade noch hatten, das jetzt endgültig vernichtet werden soll.
Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes ist als Ziel doch längst ein Selbstgänger, aber eben mit Augenmaß, mit Gerechtigkeit und einer sozialen Komponente, die rot-grün völlig abhanden gekommen ist.
Die Weihnachtsansprache 2003 des Bundespräsidenten Rau hob die Mahnung an den Bürger hervor : Leute es kommt nicht auf die Wirtschaft, sondern auch auf die zwischenmenschlichen Beziehungen und Werte an. Die Botschaft lautet halt: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Dies könnte leicht zynisch wirken, wenn der Bundespräsident, ein alter Sozialdemokrat, auf diese Weise so verstanden würde, dass die Schwachen den Gürtel enger schnallen sollten, und sich mit mehr inneren Werten und ehrenamtlichen Leistungen begnügen sollten, damit es der Wirtschaft insgesamt und damit vor allem den Habenden besser gehe. Das wird hoffentlich vom Bundespräsidenten nicht so gemeint gewesen sein, wie es geklungen hat.
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