Ist die Zukunft grün?
Ein Kommentar zur aktuellen Debatte über unkontrollierte, deutsche Visa-Vergabe und den Fischer-Vollmer-Erlass
Von Bettina Röhl
Ein Fischer, ein Visum, ein Schleuser, ein Zwangsstricher - darf es ein bisschen mehr oder ein bisschen weniger sein? Was war es doch gleich, was die Leute beim Ludger Vollmer so auf die Palme brachte ?
Ach ja, der Esser damals von D2 Mannesmann, das war die Telefongesellschaft, die auch ohne Chef ihr Milliardenvermögen zusammen gebracht hätte. Dieser Esser kassierte 60 Millionen DM dafür, dass nicht Mannesmann Vodafone konsumierte, sondern dafür, dass Mannesmann von Vodafone verspeist wurde. Das hatte irgendwie Stil. Der grüne Vollmer kassierte mit so genannter „Beratung“ Peanuts im Geschäft mit den Ärmsten der Ärmsten in der dritten Welt, die ihr letztes Hemd geben mussten, um nach Deutschland zu kommen und dafür unter anderem auch eines gedruckten Visums bedurften. Das ist irgendwie armselig. Esser ist weg. Vollmer ist weg. Beide weg mit Schaden.
Wo sind sie denn nun abgeblieben, die Schwarzarbeiter und Zwangsprostituierten, die die Preise der ehrlichen deutschen Arbeitnehmer und der ehrlichen deutschen Huren verderben? Haben Sie schon einmal eine ukrainische Hure gesehen, die nur wegen des Fischer-Erlasses in Sachen unkontrollierter Visumserteilung hierzulande anschaffen geht? Haben Sie schon mal einen ukrainischen Spargelstecher gesehen, der ohne Fischers automatisierten Sichtvermerk in seiner Heimat geblieben wäre? Irgendwann wird ja der Vorrat an kriminellen Ukrainern, wenn es einmal so ausgedrückt werden darf, auch erschöpft sein, und dann kommen eben die begehrten Einwanderer, die begehrten Spezialisten oder Billiglöhner, die ein paar deutsche Firmen daran hindern ihre Produktionsstätten in die Ukraine zu verlagern.
Laut Christa Sager wäre es ohnehin fatal die weltoffene multikulturelle Visumserteilung in Kiew einzuschränken, weil dann nicht so viele Privatpatienten in deutschen Krankenhäusern medizinische Hilfe suchen, die dringend gebraucht werden, um die notleidenden Kliniken hierzulande finanziell zu unterstützten. Ein Hoch auf die Privatpatienten !
Die medial ausgebufften Kampfmaschinen der grünen Nomen Klatura in Berlin hingen fast zehn Tage total am geistig politischen Tropf, während ihr GV- bei den Juristen das Kürzel für Geschlechtsverkehr, bei den Grünen die Chiffre für Gott Vater - Politurlaub in Südostasien machte und verdammt noch mal zu seinem eigenhändig unterschriebenen gleichwohl Vollmer-Erlass genannten Papier schwieg und schwieg und schwieg.
Die Roths, Bütikofers, Sagers atmeten hörbar auf, als Sankt Joschka am vergangenen Sonntag wieder in der Heimat einschwebte. Nun wussten sie wieder, wos längs geht. Der Kanzler sagte, Joschka du bist der Größte und Joschka sagte: Irgendwelche Probleme, Ihr lieben, kleinen „Heiermänner-Nutten“? (Für den, der sich nicht mehr erinnert: Mit dem Begriff Heiermann-Nutten belegte Fischer die Journalisten in der Affäre von 2001) Ich übernehme die „politische Verantwortung“ für jeden Fehler, den andere gemacht haben und die Details werden wir beurteilen, wenn Ihr Euch alle an mir abgearbeitet habt und Euch ermattet zurück lehnt und wieder, wie seit 20 Jahren üblich, die anderen kritisiert.
Was ist das nur für ein Getöse in den Medien? Ein regelrechter Dammbruch in den Köpfen. Man wollte nie etwas gegen Joschka schreiben oder sagen. Aber das mans auch nicht durfte, war doch irgendwie frustrierend und erniedrigend. Und nun darf man auf Joschka draufhaun, was das Zeug hält, weil schließlich tuns alle anderen ja auch. Von„Rücktritt“ ist massenhaft die Rede, von „Entzauberung“, und der gleichen und auf der anderen Seite steht ein einziger Fischer und kümmert sich auf gut Deutsch einen Kehricht drum. Er lacht sich ins Fäustchen, freut sich über eine aktiv rumorende Union, die ihn endlich mal wieder wach macht, ist begeistert über Hunderte von Veröffentlichungen täglich zum Thema Fischer, amüsiert sich köstlich über die ängstliche Duckmäuserei der Angreifer und läuft sich ein schon mal ein bisschen warm.
Natürlich freut Joschka sich auch, dass Gerd ihm einen Blankocheck ausgestellt hat und damit die Kanzlerverantwortung für den Fischer-Erlass übernahm. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Geteiltes Glück 2006 bei der nächsten Bundestagswahl ist doppeltes Glück. Jeder weiß, dass Fischer der beliebteste Politiker ist und jeder weiß auch, dass das ein großer Schmarrn ist. Jeder weiß, dass Fischer außenpolitisch ohne herausragende Bedeutung ist und trotzdem galt Fischer bis jetzt als der größte Außenpolitiker seit Augustus. Kein Mensch kümmert sich um Joschka Fischer – alle sind nur an seinem medialen alter Ego interessiert. Diese mediale Fiktion Fischer ist irgendwie geheimnisumwoben, mit einem Heiligenschein versehen, mit einer Vergangenheit, mit einem unheimlichen Thrill. Der Autodidakt, der alles kann, der die politische absolute Nase hat, der vom Saulus zum Paulus wurde. Das ist der Stoff, aus dem der lebendige Mythos des lebenden Fischer gemacht ist. Dieser Mythos wird von ein bisschen Bildzeitung, von ein bisschen Bundestagsuntersuchungsausschluss kaum ernsthaft tangiert.
Fischer, der 2001, als seine Vergangenheit thematisiert wurde, in jedem Falle auf der Rücktrittslinie stand, wurde damals ohne sein Zutun von den Medien exkulpiert, aber vorsichtshalber schickte er bekanntlich die grüne Ministerin Andrea Fischer in die Wüste, das passte gut, damit gab es ja einen Rücktritt Fischer.
Fischer stolpert ganz bestimmt nicht über Medien, selbst dann nicht, wenn sich alle Medien ausnahmslos gegen ihn stellten. Fischer stürzt auch nicht über die Opposition. Fischer stürzt höchstens über zwei Dinge: 1. über Fischer selbst. Oder 2. über den mit den Hufen scharrenden, mit eiserner Faust unterdrückten Nachwuchs in seiner eigenen Partei. Da herrscht eine kleine Machtklicke so diktatorisch wie die Mafia es in keiner Gesellschaft schaffen könnte. Die jungen Grünen sind noch schlafende Youngster, ein bisschen traumatisiert, wegen der erdrückenden Verhältnisse innerhalb der Grünen selbst, aber sie sind noch viel saurer darüber, dass die grünen Herrschaften von der abgeschafften Bierdose und ein paar Windmühlen abgesehen, das Aufbruchversprechen von 98 nicht einlösten, sondern im Gegenteil die Republik in eine ungrüne Richtung befördert haben, weit ungrüner als sie aussähe, hätte man Helmut Kohl weiterwurschteln lassen.
20 Jahre Konsumverzicht haben bei Claudia Roth eine vorsichtig ausgedrückt stillose, ungekonnte Boutiquenwut ausgelöst und eine neureiche kleinkarierte Luxussucht. Sie verlangt schon ihren Strom für die Klimaanlage, wenn ihr heiss ist und die Windmühlen stillstehen. Einzig Christa Sager scheint noch irgendwie ihr Strickliesel heimlich in irgendeiner Schublade aufbewahrt zu haben- alle anderen machen auf Establishment und erzählen ihrer Basis, dass diese Basis das schließlich von ihnen erwartete. Das war bei den Bonzen in der DDR auch schon so.
Die Nummer mit der unverantwortlichen Visumspraxis, von der die heiß diskutierten Fragen ob Fischer davon wusste oder schlampte viel weniger interessant sind, als die Frage, warum die multikulturellen Weltoffenheitskaiser die Schleuserei begünstigten, was das persönliche oder das politische Motiv war, ist nur ein ideeller, politischer Kristallisationspunkt und nicht
die Sache selbst.
Seit der rot-grünen Regierungsübernahme ist die Politik weit weniger sozialdemokratisch und grün, als sie es gewesen wäre, wenn Rot -Grün aus der Opposition heraus gestänkert hätte.
Die sozialdemokratischen Werte sind weg. Die Gewerkschaften sind enthirnt und entherzt. Die Grünen haben keine einzige grüne Idee mehr. Ihre politischen Anmaßungen sind nur noch Anmaßungen. Schröder und Fischer handeln nach dem Prinzip: Die Welt möge genesen am deutschen Wesen. Und hauen mal eben aus der Lameng eine grippale Natoreform oder eine großmannssüchtige Attacke Deutschlands auf den Uno-Sicherheitsrat oder Nahostpläne, die floppen usw. heraus. Fischer macht in Weltpolitik. Das entzieht sich der Beurteilung des staunenden Volkes, ist ernsthaft nicht zu bewerten und entbindet davon politische Leistung hierzulande zu erbringen.
In Wahrheit gibt es seit langem eine inhaltliche, eine substanzielle Krise von Rot-Grün. Deswegen hat man ja dort auch die Vokabel von der Nachhaltigkeit erfunden. Ohne sich festzulegen, ob man damit nachhaltigen Unsinn, ein nachhaltiges Nichts oder ausnahmsweise ein nachhaltiges Positivum meint. Und dann wäre da ja auch noch die Frage zu beantworten, wie durchdacht oder wie undurchdacht die rot-grünen Entscheidungen waren und sind, mit denen man die politischen Bessermenschen auf die Menschheit loslässt. Gott sei Dank verträgt das sozial halbwegs abgefederte System der deutschen Marktwirtschaft sehr viel politischen Unsinn, anders als die Systeme, wo die Gutmenschen die Diktatur ausübten, wie in der DDR.
Es ist eine Sinnkrise, die sich jetzt am ungeeigneten Objekt Fischer entlädt. Und es ist das Dilemma dieser Zeit, dass die Alternativen, die zu Rot-Grün denkbar sind, nur in äußerst beschränktem Maße Euphorie aufkommen lassen. Das eigenartige, neue Phänomen ist, dass viele Medienleute jetzt auf Fischer eindreschen, die weder jetzt noch in ein paar Wochen, ein paar Monaten oder vor der nächsten Bundestagswahl zu Schwarzunionisten werden wollen. Die Fischer- Schröder-Kritiker sind am Ende keine Merkel-Westerwelle – Fans. Hier wird ein bisschen die Sau raus gelassen überhaupt einmal etwas Kritisches zu Fischer sagen zu dürfen. Wenn dieser Druck raus ist, wird die Fischer- Schröder-Visa- Affäre kaum noch jemanden interessieren und Merkel wird sich wieder vor der Situation sehen, dass sie als erster weiblicher Kanzlerkandidat weder besonders bei den Frauen punktet, noch bei den Ossis noch bei den liberalen Modernisten, und dass die rot-grünen Häuptlinge im Zweifel mehr Wählerinnen und mehr Ossis binden können, als Merkel es je können wird.
Die Moral aus der Visumsdebatte: die einzige konkrete, reelle Chance auf ein einigermaßen rasches Sprengen der verkrusteten Stillstandsstrukturen sind nach allem, was man erkennen kann, die Junggrünen, die sich der erstickenden Umarmung der erstickten Gesellschaftsrevolutionäre, der in die Jahre gekommenen grünen Obristen erwehren. So gesehen kann die Zukunft nur grün sein.
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