von Bettina Röhl
Seit sich der Todestag von Rudi Dutschke zum 25. Mal jährte, wird um eine geistig-politische Einordnung seiner Person neu gerungen. Held oder Scharlatan? Revolutionär, Brandstifter oder Pazifist? Sein Patenkind erinnert sich.
Kurz vor Weihnachten 1979 tauchte Rudi Dutschke bei uns zu Hause in Hamburg auf. Er übernachtete ein paar Tage. Gelegentlich traf ich ihn im Haus. Manchmal plauderte ich mit ihm im Wohnzimmer, wenn Klaus Rainer Röhl gerade in der Küche verschwunden war.
Der liebte es, seine Gäste zu bewirten, und Rudi liebte es, derart versorgt zu sein. Seit 1967 hatte es immer ein freies Bett im Hause Röhl für Rudi Dutschke gegeben. Und wenn’s ihn nach Hamburg verschlug, machte er auch regelmäßig Gebrauch davon.
Wenige Tage zuvor hatte Dutschke seinen Einstieg in die Politik und damit auch eine mögliche Rückkehr nach Deutschland in Bremen besiegelt. Die dortige Bremer grüne Liste hatte am 7. Oktober 1979 als erster Verband den Einzug in ein Landesparlament geschafft, und Dutschke erlebte am 14./15. Dezember die Eröffnungssitzung der Bürgerschaft mit und sollte die Bremer Grünen als deren Delegierter auf der Gründungsveranstaltung der Bundesgrünen am 10. Januar 1980 in Karlsruhe vertreten.
Ich interessierte mich für das, was zu Hause passierte, damals nur am Rande. Die Weihnachtsferien hießen für mich, O.H., Inga, Jessika, Jophie, Thomas und Tobi und viele andere unter einen Hut zu bringen, und es war jeden Tag entweder eine Party oder das Madhouse, das ChaCha oder ein anderes Treffen angesagt. Das hieß nicht, dass ich mich nicht gerne mit dem, wie immer wahnsinnig freundlichen, revolutionswachen und gleichzeitig erschöpft und müde wirkenden und eher schäbig angezogenen Gast mit den angegrauten Haaren unterhielt. Mir waren auf eine anregende Weise die Grünen daher sehr früh gegenwärtig.
Unsere Kleinfamilie, Klaus Röhl, seine 21-jährige Freundin Regina und wir, seine 17-jährigen Töchter, waren noch mit den letzten Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt und so war mein Abschied von Rudi vor allem hektisch. Plötzlich raste er mit Röhl los. Er musste seinen Zug nach Aarhus in Dänemark, wo er mit seiner Familie lebte, erreichen und auf den allerletzten Drücker auch noch die Weihnachtsgeschenke für seine beiden Kinder und seine Frau besorgen. Ich dachte: Das ist wieder mal typisch für diesen permanenten Weltrevolutionär! Am ersten Weihnachtstag erfuhr ich, dass Rudi am Heiligabend in seiner Badewanne plötzlich gestorben war, vermutlich an den Spätfolgen des Attentats vom April 1968. Mit 39 Jahren.
Betroffen erinnerte ich mich daran, wie er das erste Mal im Herbst 1967 – ich war gerade fünf Jahre alt geworden – zu Besuch kam. Meine Eltern hatten sich gerade ihr Haus in Blankenese gekauft und unterhielten sich gern über die berühmten Hamburger Medienestablishmentpartys, die fast an jedem Wochenende stiegen. Kein berühmter Name bewegte dabei so sehr, dass ich es erinnere. Bis Klaus Röhl seiner Frau Ulrike Meinhof sagte, Rudi Dutschke kommt zu uns. Ich schnappte den Namen auf und merkte sofort, dass beide Eltern sich anders benahmen als sonst. Irgendwie elektrisiert, verunsichert, voller Erwartung. Ich fieberte mit und war enttäuscht. Da stand ein unrasierter, sehr kleiner Mann in der Tür, der ganz anders aussah, als ihn meine Eltern, die Rudi Dutschke schon vor einiger Zeit kennen gelernt hatten, beschrieben hatten. Unter Volldampf mit Weltbesserung und Befreiungskampf beschäftigt, sprang er dann allerdings mitten ins Gespräch. Hypermotiviert, sportlich, strahlend und permanent dozierend. Ich verstand natürlich nichts.
Beide Eltern waren damals von Dutschke fasziniert. Ulrike Meinhof hielt ihn für einen großen Revolutionär, lauschte seinen Worten gebannt, bewunderte ihn für seine mitreißenden Reden, die sie selber bei ihren häufigen Reisen nach Berlin in einigen, politischen Podiumsdiskussionen miterlebte. Sie sah in ihm einen Weggefährten. Klaus Röhl, als Typ eher spielerisch und zynisch, war dagegen von dem ungeheuren Ernst, dem Fehlen jeder Ironie in Dutschkes Wesen und Auftritt begeistert. Er wurde zu einem treuen Anhänger von Dutschke, unterstützte dessen Wirken, lieh ihm mit seiner Zeitschrift konkret das erste große Forum für Interviews und Artikel und bezahlte Dutschke gut. Röhl hielt Dutschke für „christusartig“, „ehrlich“ und „vertrauenswürdig“.
Es war eigentlich nur ein gutes Jahr zwischen 1967 und 1968, in dem Dutschke zum unumstrittenen Kopf der so genannten Außerparlamentarischen Opposition aufstieg. Er war der Wortführer gegen den Krieg in Vietnam und rief zur Solidarität mit den Befreiungskämpfen in der Dritten Welt auf. Er plädierte für „direkte Aktionen“ und andere Kampfformen in der westlichen Welt mit dem Ziel, mit Bewusstseinsveränderungen die kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse zu sprengen.
Dann das Attentat. Am 11. April 1968 zielt Josef Bachmann auf offener Straße aus nächster Nähe direkt auf Dutschkes Kopf und drückt drei Mal ab. Der Mordversuch an Dutschke, der den Anschlag schwer verletzt überlebt, wird zu einem Eskalationspunkt in der Gewaltbereitschaft der linken Opposition in der Bundesrepublik. Dutschkes eigene Gewaltbereitschaft wurde durch diese Gewalt, die ihm selber widerfuhr ein Stück weit aus dem öffentlichen Dutschke-Bild getilgt.
Ich erlebte in Berlin zweieinhalb Jahre lang die Aufregung der großen Vietnam-Demonstrationen, der Studentenrevolte und das Unterhaken der Demonstranten, den Dauerlauf auf die Barrikaden, das Ho-Tschi-Minh-Schreien persönlich mit. Auch das Drama um die Schüsse auf Rudi Dutschke, seine späteren mühsamen Genesungsversuche – all dies gehörte zu unserem Leben, wurde bei uns zu Hause diskutiert, besprochen, mitgefühlt.
Seit Anfang der siebziger Jahre sah ich Dutschke in Hamburg wieder, als er uns dann, von Aarhus aus Dänemark kommend, des Öfteren besuchte und wieder mit leuchtenden Augen politisierte.
Zu meiner nicht kirchlichen Konfirmationsfeier im Herbst 1976 an meinem 14. Geburtstag hatte Klaus Röhl viele Verwandte und einige seiner Weggefährten eingeladen, unter anderen auch Dutschke mit seiner Familie. Mein Vater hatte Rudi gebeten, zu meinem Patenonkel zu werden, was er gerne annahm, was ihn freute und was ihm ernst war. Soweit ich mich erinnere, kam dann zu der Feier aber nur Gretchen mit den beiden Kindern Hosea Che und Polly, während er selber wegen irgendwelcher Termine erst ein paar Tage später in Hamburg eintraf und dann erst die Geschenke für meine Schwester und mich – jeweils eine Halskette mit einem Riechfläschchen – überreichte. Rudi war hinreißend sympathisch, entwaffnend optimistisch und selber fast kindlich, als er zum Ausdruck zu bringen versuchte, dass wir nun ein neues, irgendwie schon etwas erwachsenes Verhältnis haben würden. Er gab den Gesprächen auch mit Kindern oder Jugendlichen, wenn er sich überhaupt interessierte, einen verblüffenden Ernst, der sein Gegenüber in eine besondere Stimmung versetzte.
Dutschke hatte in diesen Jahren bis zu seinem Tod allerdings auch oft etwas an sich, was zum Erbarmen war. Etwas Elendes, Verzweifeltes, Ruheloses und Weltfremdes, was er höchst erfolgreich hinter seiner Revolutionsfassade zu verschließen suchte. Seine Reden hatten etwas Stereotypes. Seine Theorie-Tiraden wurden inhaltlich oft langweilig und ziellos, worüber allerdings seine Demagogik oder sein Charisma, je nach Geschmack des Zuhörers, hinwegtäuschte. Rudi hatte irgendwie Narrenfreiheit. Die meisten schienen sich selber so viel Rücksicht verordnet zu haben, dass er überall das ideologische Alphatier blieb, wo er auch auftrat. Er war schon damals der berühmte Studentenführer, der einen Kopfschuss überlebt hatte. Er predigte, hielt Hof, tourte durchs Land und füllte Säle, aber vermutlich nur noch mit Vertretern einer kleinen festen Klientel. Er fand nie zu seiner Form und gesellschaftsbewegenden Wirkung von 1968 zurück, als er in der heißen Phase der so genannten Studentenbewegung, deren erklärter Führer er war, kurzzeitig einen internationalen Ruf erwarb. Er litt. Er promovierte schließlich über Lenin, schrieb Artikel und versuchte seinen eigenen Revolutionsfaden wieder aufzunehmen, was ihm kaum gelang. Auch finanziell ging es ihm bis zuletzt nicht gut. Rudi Dutschke konnte seinen eigenen frühen Ruhm weitaus weniger effizient ausnutzen, als es seine Erben heute tun.
Die Grünen wären vielleicht sein Comeback gewesen. Sie wären unter Umständen seine Bühne geworden, wenn entweder die Grünen sich auf die antikapitalistische Sozialrevolution eingelassen hätten, für die Dutschke steht, oder Dutschke umgekehrt, was er immerhin bereits ausprobierte, zum Anti-AKW-Menschen, zum Öko-Freak, zu einem echten Urgrünen geworden wäre. Die Grünen hätten für ihn, wie sie es für so viele erfolgreiche und gescheiterte Achtundsechziger und Berufsrevolutionäre aller Couleur waren, eine mögliche Zukunft darstellen können. Der Tod riss ihn aus dieser Perspektive heraus.
Wer war Rudi Dutschke? Dutschke ist bis heute die unumstrittene Identifikationsfigur des revolutionären Aufbruchs von 1968. Er ist ein wichtiger Urvater des rot-grünen Lagers, welches dreißig Jahre später, 1998, nach dem von Dutschke propagierten langen Marsch durch die Institutionen die Macht in diesem Land übernahm. Die 68er-Bewegung, die von sich behauptet, an den Gewaltexzessen zum Beispiel der RAF geradeso eben vorbeigeschrammt zu sein, beruft sich gerne auf Rudi Dutschke. Bis heute umschwebt den Revolutionär Dutschke ein Pazifisten-Mythos – dies allerdings entgegen fast allem, was Dutschke in den Jahren der Revolte von sich gegeben hat.
Dutschkes Motive, auf die Straße zu gehen, lagen nicht in der Nazi-Vergangenheit. Er bekämpfte diesen Staat, weil er kapitalistisch ist. Dutschke war auch kein Motor der den Achtundsechzigern angedichteten so genannten sexuellen Revolution. Im Gegenteil. Dutschke war im Zentrum der Studentenbewegung ein fast asexueller Asket, der das erste Mal mit 24 Jahren mit einer Frau, seiner späteren Frau Gretchen, schlief. Er war auch kein Motor der Geschlechteremanzipation und auch kein Spaßvogel, der Pop und Rock, Drogen und esoterische Selbstfindung konsumierte, propagierte oder lebte. Dutschke war kein Lustmensch, sondern ein rigider Revolutionär, der kaum zum Essen kam, sehr wenig schlief, nie Musik hörte und der selten Urlaub machte und wenn, auch dort gleich wieder Revolution spielte. Revolution schien die einzige Valenz für diesen Menschen zu sein, überhaupt einen menschlichen Kontakt mit seiner Umwelt aufzunehmen. Es wird immer die öffentliche Figur Dutschke zum Verständnis seiner Person durchdekliniert, statt umgekehrt das Individuum Dutschke und dessen Einfluss auf sein Tun zu sehen. Dutschkes Mängel und Fehler ließen ihn ebenso wie seine Fähigkeiten punktgenau in die damalige Zeit passen. Er war nicht abgelenkt vom Leben, hatte aber auch kein vernünftiges Korrektiv durch das Leben. Er war bei all den vielen sozialen Kontakten, die er hatte, ein zwar lernfähiger, aber ansonsten unberührbarer, unbeirrbarer Mann auf seinem Ritt.
Dutschkes Grundthema war, so wortreich und variabel er es auch vortrug, relativ einfach: Für ihn stand ganz im Sinne von Marx die Abschaffung der wirtschaftlichen und damit der wirklichen Herrschaftsverhältnisse in der Gesellschaft im Vordergrund. Durch Revolution wollte er den Kapitalismus/Imperialismus beseitigen, den er quasi als Synonym für einen neuen Faschismus betrachtete. Auf gut Deutsch war letzten Endes die Enteignung zumindest der Produktionsmittel eine Vision, wodurch Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit, Selbstbestimmtheit, Bildung, Gesundheit bei nur noch fünf Stunden Arbeit täglich erreicht werden würden.
Obwohl Dutschke von Wirtschaft und Finanzen nicht das Mindeste verstand und sich auch gar nicht erst damit beschäftigte und auch nie ein klares Organisationsziel für den Staat lieferte – das werde sich dann finden, wenn alles Seiende real wie auch in den Köpfen der Menschen erst mal beseitigt sei –, gaukelte er vor zu wissen, dass jeder revolutionäre Zerstörungsschritt der real existierenden, gesellschaftlichen Verhältnisse ein Fortschritt, ein Schritt zum Besseren sei. Mit unendlichem Gedöns an angelesenen Ideologien und Textbausteinen erstickte er jeden möglichen Gegner in Masse und Demagogik. Dabei verstand er große Teile seiner Generation und der Gesellschaft davon zu überzeugen, dass sein Revolutionsweg am Ende des Regenbogens den Schlüssel zum Tresor mit der gesellschaftlichen Weltformel darin finden würde. Dass er geradezu ein Zaubermeister in Aufpeitscherei war und Menschen gruppendynamisch nachhaltig mitreißen konnte, macht das Phänomen Dutschke aus.
Nichts Geringeres als dies war sein Ziel: Die Weltrevolution, die den Kapitalismus der entwickelten Länder, den verkorksten Kommunismus des Ostblocks und die Diktaturen der Dritten Welt gleichermaßen vom Planeten fegen könnte, sollte mit Dutschkes Hilfe das Paradies auf Erden bringen.
Diese Visionen und sein unerbittlicher Einsatz dafür brachten Dutschke den Ruf, eine Art Messias zu sein, wobei sich Spott oft mit Ehrfurcht mischte: Man war sich nicht sicher, ob nicht doch etwas Heiliges an Dutschke dran ist. Dutschke selber war am wenigsten frei davon, seine Person für etwas ganz Besonderes zu halten.
Wie viel Gewalt, Herr Dutschke, sind Sie bereit zur Durchsetzung Ihrer Ziele anzuwenden? Dies war bald die Frage, die Dutschke in den Jahren 1967 und 1968 von klugen und weniger klugen Köpfen, vor allen Dingen in den Medien, gestellt wurde, und dies war ein kleines Gesellschaftsspiel. Dutschke wich regelmäßig, unsauber, unehrlich, taktisch aus, eierte herum und äußerte sich je nach Anlass unterschiedlich. Dutschke verfolgte in jedem Fall eine Doppelstrategie:
Ausnutzen der legalen Mittel der Bekämpfung des Staates, Demonstrationen, Blockaden usw. Daneben setzte er auf Regelverstöße, auf illegale Handlungen, auf heimliche und unkontrollierbare Aktionen, verbotene Plakataktionen, Steinewerfen. In Wahrheit setzte er auf eine dritte Schiene, nämlich auf die Medien, die auf Teufel komm heraus äußerst freiwillig und aktiv und erfinderisch seine Revolution multiplizierten.
Die Erweiterung der Bewusstseins-prozesse, die er und seine Leute schon hinter sich gebracht hätten, sollte auf diese Weise erst in den Universitäten und dann immer weiter in die Gesellschaft hineingetragen werden und schließlich auch bei der Klasse der vom Sozialstaat korrumpierten, zur Selbstrevolutionierung unfähigen Arbeiter ankommen.
Schaut man sich die Big Names an, die sich darum drängelten, Dutschke kennen zu lernen oder ihn mit Rat, Tat oder Geld zu unterstützten, stellt man fest, dass Dutschke in jüngsten Jahren mit Ende zwanzig selber in höchstem Maße Establishment war. Befreundet war er mit Ernst Bloch und Herbert Marcuse, finanziell unterstützt wurde er vom Pastor Gollwitzer und zeitweise von Gustav Heinemann. Rudolf Augstein, Günther Gaus und Ralf Dahrendorf diskutierten prominent mit ihm, und die Hyper-Millionäre Giangiacomo Feltrinelli, Rudolf Augstein und Gerd Bucerius unterstützten ihn und seine Anti-Springer-Kampagne teilweise finanziell. Die Liste der Prominenten, die mit ihm sprachen, sich mit ihm solidarisierten, wie zum Beispiel auch Heinrich Böll, die zwischen ihm und der Stadt Berlin vermittelten, wie Günter Grass oder Bischof Kurt Scharf, ist lang. Jeder wollte, wenn er schon die Revolution eigentlich nicht wollte, wenigstens bei deren Urknall dabei sein.
Kein Zweifel: Dutschke war aus gesellschaftlicher Sicht der Führer der Bewegung 68, Dutschke war 68. Und Dutschke war massenwirksam.
Er und seine Kempen aus dem SDS waren eine Kleinstgruppe. Sie prägten den Begriff: „Wir sind eine kleine radikale Minderheit“, und trotzdem hing ihnen der Ruch revolutionärer Macht an. Die Gesellschaft hatte zum Teil regelrecht Angst vor Dutschke und einer irgendwie gearteten Revolution. Hierzu trug wesentlich bei, dass Dutschke eben ganz anders als die Tarnkappen, die er sich verbal aufsetzte, die Gewaltkarte geschickt und immer unterhalb der angeblichen Nachweisbarkeitsschwelle spielte. In jeder Rede – und davon hielt er viele, die waren sein Machtzepter – tauchte x-mal das Wort „antiautoritär“ auf, obwohl er selber genau das Gegenteil verkörperte.
Das massenhaft von Dutschke gebrauchte Wort „Revolution“ war durch die gleichzeitige Existenz der Systeme des Ostblocks, die durch Revolution oder Unterdrückung an die Macht gekommen waren, aus der Sicht der Bürger bereits gewaltbesetzt definiert. Auch das von Dutschke viel gebrauchte Wort von „Gegengewalt“ und die Unterscheidung von „Gewalt gegen Sachen“ ja, „Gewalt gegen Menschen“ nein, die nicht nur praktisch zweifelhaft war, sowie der von Dutschke ausdrücklich befürwortete Tyrannenmord in der Dritten Welt, schafften kein pazifistisches Klima. Der Che-Guevara-Slogan „Schafft ein, zwei, viele Vietnams“, um im Reflex die Systeme in den USA und in der gesamten westlichen Welt zu Fall zu bringen, und Dutschkes permanente Aufforderung zu „direkten Aktionen“ bedeuteten wohl kaum etwas anderes als die Aufforderung, den Staat illegal irregulär anzugreifen. Schließlich ist da auch noch neben anderen Gewaltaufforderungen der Aufruf, dem bewaffneten Widerstandskampf in der Dritten Welt die „Stadtguerilla“, also die Terroreinheit in den Metropolen der westlichen Welt, komplementär zur Seite zu stellen, wie es in einem „Organisationsreferat“ von Dutschke und Hans-Jürgen Krahl von 1967 zum Ausdruck kommt:
Es war also kein Wunder, dass nach diesen massiven Aufrufen zu Gewalt und Staatsumsturz und zur „direkten Aktion“ insbesondere nach dem von Dutschke geleiteten spektakulären Anti-Vietnam-Kongress vom 18./19. Februar vier randständige APO-Mitglieder, unter ihnen Gudrun Ensslin und Andreas Baader, am 2. April 1968 zwei Kaufhäuser in Frankfurt in Brand setzten, um ein „Signal“ gegen den „Krieg in Vietnam“ zu setzen, um sich in das Machtzentrum der Revoluzzer hineinzubrennen. Dass es bei diesem Anschlag keine Toten gegeben hatte, war reiner Zufall. Ein Jahr zuvor hatte die Kommune 1, die Dutschke ebenfalls einst mitbegründet hatte, das Flugblatt mit dem Text „Burn Warehouse Burn“ herausgegeben.
Es ist daher müßig, danach zu fragen, ob Dutschke der „Urvater des Terrorismus“ gewesen sein könnte, wie gelegentlich behauptet wird, und ob man dies womöglich nur mit einem einzigen Zettel, auf dem „Stadtguerilla“ draufsteht, beweisen können muss. Denn alles, was Dutschke sagte, alles, was er tat und propagierte, hieß ja bereits Revolution, Systemumsturz, direkte Aktionen und Gewalt. Dutschke hatte wohl keine Latenz zu eigenhändiger Gewalt. Stattdessen ließ er lieber die Puppen tanzen. Nur wenige Tage nach der Kaufhausbrandstiftung durch Baader und Ensslin wurde er selber ein Gewaltopfer.
Die Schlange 68, die mit Giftbissen und Würgen ihren kulturellen Sieg und ihre politische Deutungshoheit mal untergründig schleichend, mal offen hervortretend verteidigt, überlässt ihren Häutungsprozess seit einigen Jahren einer regelrechten Industrie so genannter unheimlich geläuterter, gewendeter Renegaten, die allerdings damals schwer fehlten und als Schlangenbeschwörer heute schon wieder versagen, indem sie die selektive Offenlegung ihrer eigenen Traumata und Entgleisungen zur endgültigen Geschichtsverfälschung nutzen. Diese Schlange lässt ihrem alten Idol Dutschke ihre eigene historische Siegerjustiz angedeihen und erschwert es der Objektivität erheblich und macht es auch jetzt wieder zu einem Sakrileg, Dutschke über einen bestimmten Punkt hinaus in Frage zu stellen. Dutschke war, wie der Dutschke-Biograf Miermeister es andeutet, ein verdammt zweischneidiges Schwert. Seine Bescheidenheit und seine Sympathiewerbung konnten ebenso bestechen wie der teilweise Irrsinn, den er so eingängig vorzutragen wusste. Das war nicht ungefährlich und ungefährlich war auch nicht, dass Dutschke möglicherweise den Schutz partieller Schuldunfähigkeit gelegentlich für sich in Anspruch nehmen konnte.
Ausdruck von http://reddot.cicero.de/97.php?ress_id= 4&item= 688
© Cicero 2005
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Was ich von Rudi Dutschke gelernt habe (Meine Gedanken)
Ca. alle 30-40 Jahre wird der Kapitalismus eine in sich selbst auflösende zu Grunde richtende, revolutionäre Situation schaffen.
Wie kommt es dazu?
Das Aufeinanderprallen verschiedener gesellschaftlicher Strömungen, die revolutionären und die konterrevolutionären Kräfte prallen aufeinander.
Wirklichkeit = Realität
Die Realität, geprägt durch immer krasser werdende Unterschiede zwischen arm und reich. Die Reichen befinden sich nur noch teilweise im Land. Sie transferieren ihr Geld in alle Welt, dorthin, wo es für sie günstiger arbeiten (sich vermehren) kann.
D.h., die Reichen bekennen sich nicht zu ihrem Land. Sie tragen durch ihr Verhalten zur Entwurzelung bei. Ob bewusst oder unbewusst. Diese Entwurzelung bringt die Konterproduktion (die Konterrevolutionäre) hervor. Die Konterrevolutionäre sind die wahren Revolutionäre der, nennen wir sie "Neuzeit".
Da wir dieser Flut an Informationen in den verschiedenen Medien ausgesetzt sind (da können die einzelnen Medien auch nichts dafür) ist es zeitlich kaum bis gar nicht möglich, alle diese Informationen zu sammeln, zu analysieren, zu bewerten.
Zu bewerten nach den Kriterien: sind sie der Revolution dienlich oder nicht? Oder: Dienen sie der Revolution oder nicht. Nicht vorher bewerten, sondern es auf sich zukommen lassen.
Fakt: Jeder auch noch so kleine Vorschlag zur Verbesserung der Lage, der Situation in dieser spätkapitalistischen Phase, (in der sich der Kapitalismus selbst zugrunde richtet) oder auch Zeit, ist positiv und mit aller Hingabe wahrzunehmen und zu erfüllen! Humor ist da wirklich nicht ausgeschlossen!
Nur die Erfüllung dieser auch noch so kleinen Vorschläge führt zum Erfolg der Revolution.
Denn diese Erfüllung (dieser noch so kleinen Vorschläge) ist der Ansporn für jeden einzelnen, sich weiter zu kümmern, zu bemühen und weitere "Verbesserungsvorschläge" zu machen.
Fakt: viele Tausend, ja Millionen dieser vielen, vielfältigen Verbesserungsvorschläge fügen sich zu einem neuen "Ganzen" (der Programmatik der Revolution)zusammen.
Die Bewegung wiederum ist die Außerparlamentarische Opposition mit ihren vielfältigen Aktionsformen.
Vielfältige Aktionen = viel Fantasie = die APO
Die APO trägt die vielen Forderungen in die Parlamente. Löst dort unterschiedliche Diskussionen (mit guter Vorbereitung) aus.
Man sammelt sich, einigt sich punktuell in Bündnissen. Nur so bleibt die Bewegung im Parlament (kein Einheitsbrei) und in der Gesellschaft. Wichtig!
Sollte ein Stillstand eintreten, so wird dieser wieder die Konterrevolutionäre erzeugen, hervorbringen.
Denn Stillstand = "Einheitsbrei"
Einheitsbrei = SED
Monica Horion
63 Jahre (Jahrgang 1946)
Mülheim an der Ruhr
Kommentiert von: Monica Horion | 08. Oktober 09 um 00:50 Uhr
...und nicht vergessen: die Nachfolgepartei der SED war die PDS und deren Nachfolgepartei ist "die Linke" - jawohl "die roten Socken" : mit allen möglichen "ehemaligen" Stasi-Leuten! Ach, so reingewaschen! Durch wen? Durch die "Kommunistische Plattform"????
Oh, Sarah Wagenknecht: was haben Sie Dir für eine schöne, ja wunderschöne Biografie gestrickt: "durch Goethe zum Kommunismus"!!!
Kotz, kotz, kotz!
Rudi Dutschke würde sich im Grabe "umdrehen": wenn er diese fiese Verblendung noch erlebt hätte!!!
Oh...Rudi: DU FEHLST UNS!!!
monica
www.monicahorion.de
Kommentiert von: Monica Horion | 07. Oktober 10 um 21:35 Uhr
Ein super Blog danke! Gibt es einen Link, wo man über die
Neuigkeiten in diesem Blog benachrichtigt wird?
danke
Thomas Leitzer
Kommentiert von: Immobilienmakler in Hamburg | 21. April 12 um 23:47 Uhr