5000 Blinde demonstrierten in Erfurt gegen die Streichung des Blindengeldes.
Siehe diese Ungeheuerlichkeit, über die in Spiegel online vom 13.10.05 berichtet wird und Siehe meinen Artikel über das Antidiskriminierungsgesetz im Frühjahr in der taz vom März diesen Jahres:
145 000 Blinde und Sehbehinderte Menschen gibt es in Deutschland.
Wenn das man kein offiziöser Irrtum ist. Die Zahl 145 000 stimmt. Aber eine menschliche Behandlung mögen die Vorreiter-Bundesländern Niedersachsen und Thüringen offenbar nicht zugestehen. Unter den Behinderten sind die Blinden die Menschen, die in vielerlei Hinsicht ein besonders hartes Schicksal haben.
Für sie ist die über den Blickkontakt laufende, soziale Dimension des Lebens besonders erschwert.
Autofahren,
Einkaufen, Sonderangebote wahrnehmen
Mal eben an der Ampel, am Bahnsteig, im Flugzeug flirten
Lesen, dass die gerade eingefahrene Bahn nicht mehr nach München, sondern nach Stuttgart fährt
Waffengleichheit in täglichen Streitigkeiten herstellen
Sympathiewerbung betreiben
Akquisition betreiben
Lesen mit Sehgeschwindigkeit
Überhaupt die Kirsche in Nachbarsgarten sehen, die man klauen könnte
Usw.usw.
Es kann nicht ernsthaft diskutiert werden, dass die Blinden schlussendlich durch Sozialhilfe nicht verhungern. Der tägliche Luxus bis zu einem bestimmten Grad gehört auch zum Umfang der Menschenwürde. Mal eben auf’n Zwutsch an den Baggersee fahren, die Kurzsause nach Ibiza, der kleine Seitensprung am Mittwoch, das Eis in dem neuen Cafe, wo sie alle hinrasen, dass man aber noch nicht sehen kann oder auf der Croisette einmal kurz den Larry machen - all das, was nicht nacktes Nicht-Sterben ist, das fällt den Blindenquälern offenkundig nicht ein. .
Achja, da war ja noch Christian Wulffs angeblich oder tatsächlich blinde und so gutsituierte Oma, deswegen weiß der Mann so gut bescheid. Wulff flirtet vielleicht nicht, er setzt lieber auf die Nummer von Deutschlands beliebtestem Schwiegersohn. Aber eins wird er doch einräumen: Politiker ist er geworden, weil er’s kaum aushält nicht im Rampenlicht zu stehen, und die bewundernden Blicke auf sein Ego visuell wahrzunehmen.
Das Blindengeld ist in allen Bundesländern erfunden worden, auch um diese spezielle Benachteiligung, die sich im ganzen Leben von morgens bis abends auswirkt, in dem viele Verrichtungen, wie dies auch für andere Behinderte gilt, in besonders schwieriger oder kostenträchtiger Weise oder oft genug eben gar nicht vorgenommen werden oder durch Dritte zu erbringen sind.
Es kann nicht jeder Blinde singen, aber wissen Sie noch, wie Stevie Wonder von den Komikern dieser Welt wegen seiner blindheitsbedingten Bewegungen auf der Bühne verarscht wurde?
Nun also: Der Staat muss sparen, die Frage allein, wo und wie muss der Staat sparen, ist mit der Feststellung, dass er sparen muss, bekanntlich nicht beantwortet.
Wenn der Staat meint, durch Sparen in homöopathischen Dosen seinen Haushalt sanieren zu können, dann treten verschiedene Argumente in einen ziemlich komischen und makaberen Wettlauf:
Dummheit, fiskalische Ahnungslosigkeit, soziale Brutalität, menschliche Verwerfung.
Mit den Krümeln, die das Blindengeld in der Haushaltsbilanz der Länder darstellt, lässt sich kein fiskalischer Blumentopf gewinnen und da wird auch niemand als das große finanzpolitische Genie in die Geschichte eingehen, der sich mit der Streichung des Blindengeldes hervorgetan hat.
Ein Exempel statuieren. Das muss es wohl sein. Erklärts den Blinden, dass sie so wertvolle Mitglieder der Gesellschaft sind, dass man ihr Schicksal zum Vorbild für Einschnitte in die Staatsbudgets, die manchmal doch sehr armselige Menschen verwalten, nimmt.
Weg mit dem Blindengeld, das hat Symbolcharakter. Dann kann man, wie die Blinden zu Recht sagen, auf den Dominoeffekt setzen, und alle Unterstützungen für alle schwachen Bevölkerungsschichten streichen.
Aber: Man senkt nicht nur das Blindengeld, man hat ja auch gerade den Spitzensatz der Einkommensmillionäre und Milliardäre gesenkt.
Und wo bleibt die scheißverdammte Linkspartei??
Die hat Null-Bock, die macht lieber Kommunismus, weil sie weiß, dass sie mit ein paar Blinden keinen Blumentopf gewinnen kann, und dass ihr Negativmonopolie sowieso nur Beschäftigungstherapie für die paar Hanseln ist, die sich in den Parlamenten von Bund und Land alimentieren lassen.
Oskar, ran an die Front !!!!
Gregor, wo bleibst Du !!!
Die Grünen mit ihrem zum Teil grotesken Minderheitenwahn kümmern sich immer dann, wenn’s ernst wird, um betroffene Menschen, wie hier um die Minderheit der Blinden, nicht.
Brunhilde, du in allerlei Kitsch getüllte, üppige Claudia Roth, gar mit Kunstpelzbesatz an den Ärmelchen, wo bleibst Du Minderheitenfetischistin?
Minderheiten sind nicht der Erfindungs-und Fiktionswut und der Definitionshoheit irgendeiner grünen Partei unterworfen, sondern real existierende Gruppen. Auch die Einkommensmilliardäre sind eine Minderheit, der habt ihr auch eine Senkung beschwert, nämlich die beschriebene Senkung der Einkommenssteuer – wenn ihr wollt, wisst ihr doch wie man mit Minderheiten richtig umgeht.
Und noch mal die Grünen: Sie haben die Mehrheit der Bevölkerung, die Frauen, immer wieder zur Minderheit gemacht. Wo bleibt ihr Frauen, ihr menschlicheren Wesen, ihr Humanistinnen?
Wo bleibt ihr? Eure weiblichen, blinden Mitmenschen – ohne eure Solidarität!!!
Kann das denn angehen?
Wo bleibt ihr Grünen, die das Sinnlos-Antidiskriminierungsgesetz durchpeitschen wollten, wenn ihr jetzt lustvoll wegschaut, wenn die Blinden an der Lebensteilhabe behindert werden sollen.
Aber die blinden Frauen, die müssen doch Euer Herz berühren oder habt ihr keines?? Oder denkt ihr? Nagut, die blinden Männer – weg mit Schaden! Da sind die Männer aufgerufen, ihren blinden Geschlechtsgenossen zu helfen, also machen wir es doch gleich so, dass der Staat weiterhin das Blindengeld zahlt, wie gehabt. Und die Politiker, statt in Millliardenhaushalten Milliönchen zu sparen, setzen sich auf ihren Hosenboden und denken darüber nach, wie die Wirtschaft wächst und sie mit ihren Steueransprüchen vom Wachstum profitieren. Das ist nach vorne gerichtet. Den Blinden Geld stehlen ist eine durch und durch rückwärtsgerichtete Maßnahme von Leuten, denen nichts einfällt.
Das Einkommenssteuergesetz kennt laut Merkel und Kirchhof fast 500 Ausnahmetatbestände. Die sollten alle abgeschafft werden, inklusive der sinnvollen Ausnahmetatbestände.
Aber all die Ausnahmetatbestände, die die Reichen reicher machen und die mit zweifelhaftem, gesellschaftlichen Nutzen oft - siehe begünstigte Kapitalflucht ins Ausland - schadenbehaftet sind, sollen die Reichen – im wahrsten Sinne des Wortes einkommensunabhängig – noch reicher machen und das Blindengeld soll, so es nicht ganz gestrichen wird, in Zukunft, der Sozialhilfe gleich, allenfalls einkommens-und vermögensabhängig im Almosenbereich gezahlt werden.
Wer diese systemischen Diskrepanzen und Ungerechtigkeiten nicht spürt, sollte nicht an den Abzugshähnen des Fiskus sitzen. Pfui Teufel!!!
Wenn man es noch mit intelligenten fiskalischen Maßnahmen zu tun hätte, dann würde man wenigstens sportlich sagen können: ihr seid schlimme Finger, aber Hut ab!
Aber blinden Menschen ein paar Mark weg zu nehmen, ist unintelligent.
Wenn Deutschland vorankommen soll und das will ja fast jeder, dann muss Deutschland nicht mit Fisimatenten im Inneren ein paar Pfennige von der linken Hosentasche in die rechte schieben, bei gleichzeitigem Abschluss eines Kreditvertrages mit der rechten Hosentasche, sondern dann muss Deutschland intelligenter und effizienter auf dem Weltmarkt mitspielen und seine frühere Stelle im Ranking wieder einnehmen. Da kommt es auf ein paar Mark Blindengeld definitiv nicht an. Wer in solchen Kategorien denkt, ist absolut der Falsche für den Weltmarkt – da wachsen in Dritte-Welt- Ländern schneller Milliardäre, für die das deutsche Blindengeld ein Fliegenschiß ist, als dass die deutsche Wirtschaft voran gebracht wird. Aber es sind gerade die westlichen Volkswirtschaften, deren Existenz für die Kapitalmonopolisierungen in der Dritten Welt Conditio sind, und jeder weiß, dass diese Multi-Reichen den dortigen Gesellschaften und Volkswirtschaften oft genug schaden.
Oh du Rote, du Heidi, du, weißt Du denn nicht, wie viele Deiner Entwicklungsmilliarden versickern und sich auf den Schweizer Konten irgendwelcher kleinen und großen Despoten sammeln? Jaaaa, die legen ihr Geld solide in der alten Republik an mit bescheidenen Zinsen, aber sicher wie das Amen in der Kirche.
Die Bosse der deutschen Unternehmen, die die Volkswirtschaft tragen, haben in Wahrheit doch längst begriffen, dass die Sparerei nach innen, Arbeitsplatzabbau und dergleichen, nur die kleinere Hälfte der Miete ist. Weltmarkt ist Verdrängungswettbewerb brutalster Art, also müssen die deutschen Waren-und Dienstleistungen, die in den Export gehen, so intelligent und begehrt sein, dass der Rückfluss in Gestalt von Cash den deutschen Wirtschaftskreislauf routieren lässt. Diese ewige Jammermentalität von den Lohnnebenkosten und den Löhnen hat sich derartig in eine Eigendynamik von neokonservativen Wichtigtuern,die von Wirtschaft genauso wenig verstehen, wie von Menschlichkeit, verfestigt, dass selbst der letzte Dorfbürgermeister bald glaubt, dass die eine einzige blinde Oma in seinem Dorf die Ursache für seine Misere ist.
Ihr, Christian Wulfe und co. !! Wenn ihr nicht verstanden habt, dass die Wirtschaft ein Kreislauf ist und dass dies nicht nur ein Wortgebilde ist, das jeder Vorstadtschüler im Munde führt, dann tretet zurück !!!
Die Blinden, die ihr Leben nach grundgesetzlichen Mindeststandarts führen können müssen, wie alle anderen auch, und die nichts dafür können, dass sie blind sind, gehen, wenn sie aus der Blindenförderung herausfallen in die Sozialhilfe.
Und: wo spart der Staat???
Das Blindengeld wird sofort wieder ausgegeben, weil die Blinden es brauchen. Es wird nicht sinnlos gespart, es wird nicht auf Mallorca verprasst und es ist ungeeignet für Verschiebungen in die exotischen Steuerparadiese. Ein Teil dessen, was der Fiskus für die Blinden ausgibt, ist also für die Volkswirtschaft immerhin nicht verloren. Wenn man die oben erwähnten Krümel unter diesem Gesichtspunkt auf ihre volkswirtschaftliche Relevanz reduziert, dann bleiben von drei Krümeln nur noch 1 ½ Krümel übrig, die man angeblich beim Blindengelstreichen sparen will.
Es gibt auch noch viele andere Bereiche, wo in dieser Volkswirtschaft ein Beratungswahn finanziert wird, in dem Zigzehntausende Berater sich um die Belange von benachteiligten Minderheiten kümmern und dabei selber erst einmal auf ihr eigenes Einkommen achten und oft genug gute Lobbyarbeit leisten, vermehrt über die Grünen. Aber das sind zum Teil aggressive Typen, während die Blinden selbst zu einer Blindendemonstration mehrheitlich nur mit fremder Hilfe anreisen können, die eben vom Blindengeld bezahlt werden muss. Insofern mag die Spekulation aufgehen: kürzt man das Blindengeld halten die Blinden wenigstens das Maul.
In der Tat: die christlich unionierten Vorreiter für die Abschaffung des Blindengeldes benehmen sich auf eine furchtbare Art unmenschlich und nehmen es hin, dass die Gesellschaft in vorzivilisatorische Zeiten zurück gleitet.
Es handelt sich offenbar um einen neokonservativen Irrtum aller Parteien: Hier geht es nicht um einen zusätzlichen Luxus, der den fettesten arbeitsunwilligen Arbeitslosen, von denen es ja auch einige gibt, noch fetter macht.
Das Blindengeld ist kein zusätzlicher Luxus, sondern schafft überhaupt einen minimalen Ausgleich für die laufenden Mehrausgaben, die notwendig sind. Blinden können nicht mal die Ich-AG gründen, sie können nicht eine Bude errichten und Hotdogs verkaufen, sie haben viel schwerere Nebenverdienstmöglichkeiten und selbst Schwarzarbeit ist etwas, was ihnen kaum möglich ist.
Die taz schreibt in ihrem Artikel "Kurzsichtige Kürzung"
"Auf der Kundgebung am Samstag vor der Thüringer Staatskanzlei wehrte sich der Präsident des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes Jürgen Lubnau dagegen, Blinde in die Sozialhilfe abzudrängen. "Dort haben wir nichts zu suchen", sagte Lubnau. Er kritisierte den thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus (CDU), der bisher nicht zu Gesprächen bereit gewesen sei. "Herr Althaus, warum sind Sie zu feige, mit uns zu reden?", rief Lubnau. "Wie kann eine christliche Partei es wagen, uns das Blindengeld wegzunehmen?"
Siehe auch das Interview mit dem Bundesverband der Blinden in Erfurt in der taz:
Der nette Christian Wulff, den die Deutschen so sympathisch finden?
I've been stuck on chapter 11 for about 4 weeks now, don't feel bad. Of sruoce, to try and compensate, I started a short story and I feel even worse because now I have TWO things not done!
Kommentiert von: Rhonda | 09. April 12 um 22:13 Uhr