Mit der Bekanntgabe der SPD-Ministerriege am 13.10.05 wurde in den Medien vielfach der Begriff Vizekanzler – wohl mehr aus dem Bauch heraus – zum zweitwichtigsten Amt im Staate erklärt. Aus dieser Erklärung wurde abgeleitet, dass Müntefering nun der zweitmächtigste Mann und eben ein halber Kanzler hinter Angela Merkel sei.
Das ist Franz Müntefering in der Tat, aber nicht im Geringsten deswegen, weil er Vizekanzler werden soll, sondern vielmehr deswegen, weil er der Führer der annähernd gleichstarken SPD ist, die in der großen Koalition mit der CDU auf der berühmten gleichen Augenhöhe mithalten will oder auch mithalten kann.
Im Grundgesetz heißt es unter Art. 69.1 lapidar: Der Bundeskanzler, also Merkel, ernennt einen Bundesminister, also Müntefering, den Mann für Arbeit und Soziales zu seinem Stellvertreter. Das ist bereits alles.
Muss etwa selbst die Geschäftsordnung der Bundesregierung, also das Regelwerk, wie die Bundesminister und die Kanzlerin miteinander umgehen, noch vom Bundespräsidenten genehmigt werden und müssen noch die Bundesminister vom Bundespräsidenten ernannt werden, gilt dies alles für den Vizekanzler nicht. Es ist Merkels höchst eigene Entscheidung, ganz nach ihrem Gusto einen Bundesminister zu ihrem Stellvertreter zu ernennen, und gegebenenfalls diese Ernennung an einem anderen Tag zu Gunsten eines anderen Bundesministers zu wiederholen. Die Rechtstellung der Figur des Vizekanzlers ist also nach dem Grundgesetz eine ziemlich bedeutungslose.
Dies ändert nichts daran, dass der Vizekanzler mit Symbolwirkung und Image ausgestattet ist und natürlich auch seine Funktion hat, die auch in der genannten Geschäftsordnung der Bundesregierung sicher weiter definiert werden kann.
Münteferings Stellung als Vizekanzler ist also letzten Endes, was die Machtfrage anbelangt eben keine Rechtsfrage, sondern eine rein tatsächliche Frage, eben eine Machtfrage.
Im Umkehrschluss ergibt sich, dass allein die Kanzlerin Merkel Regierungschefin ist und zwar mit weitem Abstand von den Bundesministern, was ihre Rechtsstellung anbelangt. Dass sie um einen Bruch der Koalition zu verhindern, gerade in einer Koalition gleichstarker Partner faktisch gesehen über eingeschränkte Macht verfügt und den Kompromiss suchen muss, versteht sich von selbst, nur die Sache mit dem Vizekanzler bleibt eine Solche von eher ideeller Bedeutung.
Kommentare