Die ursprüngliche Reinheit der Alpen, der Nazijäger Daniel de Roulet und der tote Axel Caesar Springer
Ja, da liegt es nun, das Buch des Westschweizer Autors Daniel de Roulet, der sich selbst bezichtigt 1975 das Ferienhaus des Hamburger Verlegers Axel Springers nahe Gstaad abgefackelt zu haben. Ich glaube dem Mann kein Wort. Aber, daß er in Springers Haus gezündelt und gekokelt hat, kann natürlich durchaus wahr sein. Hat er sich die Geschichte ausgedacht, wäre er komplett irre, erzählt er die Wahrheit ist er noch verrückter! Vielmehr lässt sich dazu nicht sagen. Das Schweizer Brandstifterchen, offenbar eine Art Bonsai-Tell will also auf seinen imaginären Ruetli gemeinsam mit seiner damaligen Freundin, die von seiner Männlichkeit offenbar nicht beeindruckt war, gekrabbelt sein und Springers Haus niedergebrannt haben. Dies zu dem Behufe „um den Alpen ihre ursprüngliche Reinheit zurückzugeben“, wie er sich in einem Interview einließ. Singt da eigentlich ein alter Nazi ein Volkslied oder ein sogenannter „Intellektueller“, ein sogenannter „Linker“? Klar, daß man mit so einer „Leiche im Keller“ sich so aufdopen kann, daß man während der dreißigjährigen Verjährungsfrist der Tat zu einem so genannten „Schriftsteller“ wird – das gibt Power! Die Traumata, die eine solche Tat im Täter auslöst, hat der gute Mann offenbar im Wege einer psychologisch noch nicht erklärten Schubumkehr dazu ausgenutzt sich selber für einen auserwählten Schriftsteller zu halten, die beste Voraussetzung dafür, daß auch andere einen für einen solchen annehmen. Der wahre Irrsinn ist die mediale Reaktion auf sein Buch. Der toppt alles: Ein Brandstifter, na ja, das haut heute auch keinen mehr vom Hocker.
Was ist Faschismus?
Die physische Brandstiftung de Roulets 1975 war erklärtermaßen auch zugleich eine geistige Brandstiftung. Aus verquaster, nebulöser, ideologischer Verblendung heraus wollte de Roulet symbolhaft ein Fanal setzen, außer, daß er die Schweiz „reinigen“ wollte. Auch sein heutiges Buch ist geistige Brandstiftung, in dem es die ohnehin schon verwirrten Köpfe noch weiter in die Irre führt. Wenn da ein Brandstifter aus den oberen 10 000 einen solchen schwafeligen Ungeist verbreitet, nimmt es nicht wunder, wenn die Medienkommentatoren, die sich eilfertig unter Verwendung solcher Begriffe wie „naiv“ um Rationalisierung der Brandstiftung bemühen, und letztenendes doch wieder die angeblich politischen Verhältnisse ins Gespräch bringen, daß das Ganze in die Hose geht. Irrsinn pflanzt sich fort. Die Taten der Nazis hat man aus gutem Grund aus der Verjährung herausgenommen. Irrsinn verjährt eigentlich nie. Persönlicher Faschismus auch nicht. Stellt sich die Frage: was ist eigentlich Faschismus? Ich denke Faschismus ist die in Massenwahn eingebettete, irrsinnige Verfolgung von einzelnen Menschen, über die man nichts weiß und die man vorurteilsgesteuert für Freiwild erklärt. Und dieser zur Tatzeit 31.jährige, aufgeweckte „Schriftsteller“ will nun jahrzehntelang über sein Hassobjekt Axel Springer nichts gewusst haben.
Er entschuldigt sich mit dem damaligen Massenwahn der sogenannten 68er. Dass Axel Springer ein aufrichtiger Freund Israels war, verdrängten schon die sich damals noch im Klassenkampf befindenden Studiosi. Sie wollten Springer enteignen, weil sie sich in ihrem Klassenkampf durchaus zu Recht von ihm gestört fühlten. Man kann das doch alles in den Archiven der Nicht-Springermedien bestens nachlesen. Es hilft nicht weiter die alten Rechtfertigungsmythen zu dreschen. Der Fall de Roulet ist viel bedeutsamer, als er jetzt gehandelt wird und er bietet eine exemplarische Chance, daß sich die Gesellschaft von der herrschenden Geschichtsklitterung ein wenig befreit. Diese Chance sollte nicht ohne Not vertan werden. Das terroristische Element, daß in der Zeit der Täterschaft de Roulet massenwirksam war, vernagelt den klaren historischen Blick und das nun schon routinemäßig seither.
Wenn eine dänische Botschaft brennt, ist das auch nur ein Haus
Wenn eine dänische Botschaft brennt, ist das auch nur ein Haus. Und das World Trade Center war auch nur ein Haus, das als kapitalistisches Symbol symbolhaft vernichtet werden sollte, unter Inkaufnahme von 3000 Toten und vielen Verletzten. Eine Gesellschaft, die die Relationen nicht mehr erkennt, die das Koordinatenkreuz von Vernunft verloren hat, fällt allzu leicht auf die geschickt eingefädelte Naivitätsnummer eines früheren „Genossen“
herein. Natürlich ist man erwiesenermaßen kein Spießer, wenn man ein Haus, zudem aus „gesundem“ Schweizer Nationalismus, anzündet. Aber deswegen darf man doch die Angst der kleinen Spießer, die damals für Springer journalistisch tätig waren, auch nicht ganz außer acht lassen. Schließlich war die Brandstiftung nicht als Vernichtung von Materie gedacht, sondern als physische Kampfansage an Springer und seine Familie und diejenigen, die für ihn, Springer, arbeiteten, die allesamt nicht wussten, wo die Grenze der Brandstiftung liegt. Da man Irrationalismus kraft Definition nicht kalkulieren kann, hat Terror und sei es auch Terror gegen Sachen eine enorme Fernwirkung. Das Ganze wird heute verniedlicht. Die Geängstigten stehen heute als Alarmisten da, wenn sie von ihren Traumata erzählen, die sie damals massiv hatten, um mal bei den historischen Tatsachen zu bleiben. Die eigentlichen Alarmisten waren aber diejenigen, die die geistige und physische Brandstiftung betrieben. Und heute scheint es wieder so zu sein, daß die alarmistischen Lustigkaiser die verjährte Nummer mal ein bisschen so und mal ein bisschen so unerhört finden, aber doch erklärlich. Und nun denselben Druck erzeugen, daß derjenige alarmistisch sei, der eine so lange verjährte Tat heute noch verurteilen würde. Tatsächlich geht es gar nicht um die Verurteilung einer wahngesteuerten Tat, sondern primär darum das konsequente Wachstum des damals gesäten Wahns, der heute aktuell zu besichtigen ist, zu verstehen. Das weltweite Terrorphänomen heute – so unterschiedlich die Dinge liegen, so viel Ursachenunterbrechung es auch gegeben haben mag, hat eine Wurzel in dem Terror, der Anfang der siebziger Jahre in Westeuropa voll auf Maos Spuren, auf die sich heute auch Bin Laden beruft, entstand. Das da Atheisten und Theokraten bunt durcheinander Terrortaten betreiben, ändert auch nichts an dieser historischen Tatsache. Das Hassobjekt ist im Übrigen nach wie vor der Westen, was immer das genau sein mag.
Die Terrorbekämpfung, die heute so en vogue ist, die höchst ideologisch geführt wird und die denjenigen Tor und Tür öffnet, die den Rechtsstaat immer weiter mit Entrechtung der Bürger würgen, kann zuerst einmal sinnvoll nur auf der schonungslosen intellektuellen Durchdringung der Phänomenologie beruhen. Alle Terroristen haben irgendeine moralische Nummer drauf, die im Gesamtzusammenhang allerdings eine Scheinnummer ist. Auch an dieser Stelle kann die Terrorbekämpfung nicht ansetzen. Allein die Erkenntnis des Irrationalen, sich der normalen Denkkategorie entziehenden Elementes, das die eigentliche Urwurzel für Terror ist, muss mit kühlen, intellektuellen Mitteln soweit als möglich durchdrungen werden.Terror in diesem Sinne verstehen und mit der Unverständlichkeit intellektuell umgehen, das ist der erste Schritt der Terrorbekämpfung, für den der Schweizer Klettermax mit seinem Buch einen verwertbaren Reiz gesetzt hat.
Ein Irrender packt medial gekonnt witzig aus – allein, es gibt nichts zum lachen.
Die Mediakratie muss offenbar lernen, daß Pressefreiheit da, wo sie pervertiert gelebt wird, wofür auch das Phänomen des modernen Kannibalismus in Deutschland ein paralleles Beispiel gibt, contraproduktiv wirkt und ihrem hohen Verfassungsrang brutal ins Gesicht schlägt. Schweigen kann Gold sein. Schweigen kann aber auch gelebte Pressefreiheit sein. Wenn all die Plappereien, die Milliarden Seiten von bedrucktem Papier verschwendet haben, in der fließbandartigen Darstellung vom jeweils tagesaktuellen Anschlag fürderhin nicht mehr umweltschädlich durch Verschwendung weiteren Papiers fortgesetzt würden, wäre dem weltweiten Terror ein wesentlicher Teil des Bodens bereits entzogen. Terrorakte zielen ja erklärtermaßen auf medial multipliziertes öffentliches Entsetzen ab. Wie viel Öffentlichkeit mit sogenannter politisch motivierter Brandstiftung herzustellen ist, zeigt das de Roulet-Buch; Damals gab’s Öffentlichkeit und sicher auch klammheimlicher Freude, die nach allem menschlichem Ermessen sicher damals auch mit dem einen oder anderen Genossen clandestin geteilt wurde und diese Freude mag sich auch darauf bezogen haben, daß irrtümlich deutsche Terroristen verdächtigt wurden und auch darauf vielen tausend Springerianern ein bisschen Todesangst eingejagt zu haben. Heute macht das Buch dem Autoren auch Freude, jedenfalls ruhmtechnisch und irgendwie steckt darin ja auch ein Stück Sadismus, daß man mit unverjährbarer Todesangst Anderer heute auch noch ein Schnäppchen schlagen kann. Es sieht so aus, als hätte der Hype von damals in den vergangenen dreißig Jahren in seiner Wirkung nachgelassen und als müsste jetzt noch ein bisschen Holz nachgelegt werden.
Irgendwie steckt in de Roulet auch ein kleines Rumpelstilzchen, das 30 Jahre lang um die Glut herumgetanzt ist: Ach, wie gut, daß niemand weiß, daß ich auf den Springer scheiß.
Heute tanzt der selbsternannte „Sonntagsterrorist“ mit seiner retardierten Läuterung unter dem Arm durch die Medien und lässt sich in aller Öffentlichkeit nicht kriegen:
Ich bin so schön, ich bin so toll, ich bin der Daniel Diabol!
Dem alten Springer hab’ ich’s gegeben,
ja, so lässt es sich schön leben
und heute tanz ich Rock’n’roll!
Die Leut’ schrein: wow, die Leut’schrein: weh, lauf ich mit Kerzen durch den Schnee!
Vor Verzückung schrein die Madeln
und es kribbelt in den Wadeln.
Da kommt der Daniel vom Chalet.
Dieser Zugewinn an pikantem Ruhm dürfte der kalkulierte Mehrwert sein, den de Roulet mit seinem Büchlein intendiert haben.
Aso: Leichen raus aus dem Keller!
Und nun bietet de Roulet den Erben Axel Springers an, den Erlös seiner Kraxelei zum Springerhaus zu stiften. Interessant wäre zu erfahren, welches der Wert des Hauses damals war. Die Schweizer sind ja bekanntlich die pfiffigsten Bankiers der Welt. Sie drücken heutzutage nur auf den richtigen Knopf an ihrem Computer und schon wissen sie, was der Barwert dieser Summe per Erscheinungstag des de Rouletschen Buches ist. 30 Jahre Zinsen und Zinsen auf die Zinsen, da kommt schon einiges zusammen. Für die Summe, die dann geschuldet ist, muss eine alte Oma lange stricken und vom Bekennerschreiben des Brandstifters müssen reichlich viele Exemplare verkauft werden, wollte de Roulet seine finanzielle Schuld abtragen. Davon ist er aber weit entfernt, dies tun zu wollen. Er will, wie er sagt, seine Seele entlasten, womit das ganze Büchlein also eine Art sozialisierte Eigentherapie ist. Eine Art „Renegat o.ä.“ sei er nicht, sagt der Brandstifter. Für wen er sich selber eigentlich hält, verschweigt er.
Wer so im Mainstream schwamm, wie de Roulet, müsste sich eigentlich die Frage stellen, was von seinem Werk übrig bliebe, wenn die Mainstream-Jubelei von seinem Werk abgezogen würde, die notwendig war, um ihn zum sogenannten bedeutendsten Schriftsteller der Westschweiz gemacht zu haben.
Wer soviel Irrtumspotenzial in seinem Kopf prima facie des lichterloh brennenden Hauses offenbart hat, wird sich selber die Frage gestellt haben, wie viel Irrtum später in seinem Kopf war und heute noch in seinem Kopf ist. Oder war auch das Abfackeln des Springerhauses bereits eine kostspielige Eigentherapie?
So wie die Tat ausgeführt worden sein soll, scheint nicht einmal ausgeschlossen, daß irgendein Hauseinhüter, den die Schönen und Reichen gern in ihren Chalets beschäftigen, anwesend war - immerhin will de Roulet nur irgendwo ganz unten im Haus zwei Friedenskerzen gezündet haben.
Aber: Da haben wir ja noch die Entschuldigung, so es sich denn um eine Entschuldigung handelt.
Unabhängig von allen Therapiefragen, die jetzt aufgeworfen wurden, muss man de Roulet in einem Punkt wirklich danken. Wenn alle, die damals die 100 000senden von irrsinnigen Taten, die passierten, in dem verblendeten Geist, in dem de Roulet gehandelt haben will, offen und ehrlich öffentlich machen würden, die Geschichtsschreibung würde eine Chance haben, sich dem zu nähern, was in der jüngeren Historie Westeuropas tatsächlich passierte.
All die heldenhaften Antifaschisten der sechziger und siebziger Jahre, die eine ähnliche Geschichtsklitterung betreiben, wie sie diese ihren Vätern vorwarfen, nur mit umgekehrtem Vorzeichen, würden die heutigen Köpfe nicht mehr versülzen und den heutigen Gesellschaften würde ein sehr großer Dienst erwiesen. Alle sind nach der Brandstiftungsbekennung nun aufgerufen, dem insoweit guten Beispiel de Roulets zu folgen. Also: Leichen raus aus dem Keller !
Beiträge dazu in der WELT NZZ Spiegel online ( Reinhard Mohr)
Liebe Frau Röhl, allgemeine Medienkritik bringt nichts, weil sie ungerecht ist. Es gibt und gab schon immer gute Zeitungen und Journalisten, denen viele Leser, so auch mir, erkennen lassen, daß zum Beispiel Sie selbst zu den excellentesten gehören. Sobald ich Ihren Namen höre, spitze ich die Ohren und will lesen, was Sie geschrieben haben. Also bei der nächsten Medienkritik die Übeltäter beim Namen nennen. Es gab und gibt Tausende.
Alles Gute - Jochen Kramer
Kommentiert von: kramer | 08. März 06 um 16:12 Uhr