Reemtsma und die RAF Zu viele Historisierungsversuche versanden in Bedeutungslosigkeit Ein hanseatischer Verriss von Bettina Röhl
Band 1, in duffem Rot gehalten, ziert ein schemenhaftes Bild der Augenpartie Andreas Baaders. Band 2 kommt in mattem Blau daher mit einem verwischten Bild der Augen Ulrike Meinhofs. Diese beiden Bilder auf den Einbanddecken sind die einzigen Illustrationen des 1500-Seiten-Konvoluts. Im Format 25 mal 17,5 Zentimeter sind die Seiten zweispaltig bedruckt und dies nicht zu knapp, so daß derjenige, der sich der Lektüre nähert, dem Umfang nach eigentlich ein 3000 Seiten-Monstrum auf dem Tisch, dem Schoß oder sonst wo zu liegen hat. Der Kaufpreis beträgt 78,- Euro, das macht bei knapp 3 Kilo Buch pro Gramm 2,6 Cent. Bei überschlägig 5000 Zeichen pro durchschnittliche Seite (einschließlich Fußnoten) bringen es die „RAF und der linke Terrorismus“ vorliegend auf rund 7,5 Millionen Zeichen.
Die exorbitante Masse ist es, die ins Auge sticht, und die hier - um erst einmal ein bisschen durchzuatmen und nicht unmittelbar mit der Tür ins Haus zu fallen – hervorgehoben sei. Die Klasse kann mit dem imposanten Auftritt und der demonstrierten breiten Brust,
daß nun endlich dreißig Jahre nach dem sogenannten Deutschen Herbst die ultimative Verwissenschaftlichung der RAF, sozusagen die Weltformel des Terrors gelungen sei, nicht mithalten;
(...)
Zu viele Historisierungsversuche versanden in Bedeutungslosigkeit und sind nichts anderes als ein Eigenspin in einer nimmer endenden Beschäftigungstherapie. Immer noch ein Einerseits und ein Andererseits und immer fehlt der erlösende Ausweg des Keinerseits, immer noch eine Pirouette, daß man Wissenschaftler und Forscher sei und wie Wissenschaft und Forschung methodisch funktionierten. Das Tragische ist, daß die interessanten Schnipsel, die es bei der Masse natürlich unvermeidlicher Weise gibt, untergehen.
Von den (gefühlt) 20 000 Seiten Historisierung wird der Leser, der nicht im Diskurs wie ein Fisch im Wasser schwimmt, wenig haben.
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