Die Klar-Kampagne
Von Bettina Röhl
Warum gingen die Begnadigungen von RAF-Terroristen, wie etwa jene von Adelheid Schulz oder Rolf Clemens Wagner im Jahr 2002 und 2003 durch Bundespräsident Johannes Rau weitgehend geräuschlos über die Bühne? Warum löst ausgerechnet die Begnadigung von Klar eine Debatte aus, so als hätte beispielsweise Wagner nicht auch 24 Jahre gesessen? Ganz einfach: im Hintergrund der Klar-Entlassung steht eine Begnadigungs-Kampagne, initiiert von einigen grauen Panthern des bundesrepublikanischen Establishments, die der RAF, wie jüngst Theatermann Claus Peymann wieder deutlich in einem Interview bekundete, zumindest mit Sympathie seit den frühen siebziger Jahren verbunden waren. Vor einigen Jahren machten sich der berühmte Journalist Günther Gaus, Claus Peymann und Ex-Innenminister Gerhard Baum und einige andere Etablierte ans Werk; Der Schauspieler Rolf Becker wurde zum ehrenamtlichen Betreuer Klars, Gaus holte Klar 2001 in einem exklusiven Großinterview aus dem Gefängnis ins Fernsehen, man half und überredete Klar ein Gnadenersuch beim Bundespräsidenten zu stellen und schließlich bot Claus Peymann, Chef des hochsubventionierten Berliner Ensembles in Berlin, Klar öffentlich ein Praktikum.
Woher dieses ungewöhnliche Engagement für einen neunfachen Mörder und einen 11fachen versuchten Mörder, dem noch nie ein Wort des Bedauerns über seine Taten über die Lippen gekommen war, der allerdings ohnehin 2009 aus dem Gefängnis entlassen werden soll und programmgemäß ab 2007 Hafterleichterungen bekommen hätte. Warum diese Einmischung in ausgerechnet diesen einen singulären Fall? Ist es das schlechtes Gewissen der alten, schon damals rechts-kapitalistisch lebenden Establishmentgrößen mit linksradikalen Ideen Karriere und Knete gemacht zu haben, während ein paar junge Leute der RAF Anfang der siebziger Jahre die Parolen ernst nahmen und die Drecksarbeit, den Revolutions-Terrorismus, tatsächlich machten, von dem die alten Kämpen damals permanent redeten?
Der Mensch Christian Klar jedenfalls und dessen persönliche Entwicklung scheint in den Köpfen dieser Edel-Sympathisanten die geringste Rolle zu spielen. Da geht es wohl eher um persönliche Eitelkeiten und Provokationen. Oder vielleicht doch um einen letzten, um das böse Wort zu gebrauchen, „Endsieg“ zumindest der Ideologie der RAF, dreißig Jahre nach dem sogenannten Deutschen Herbst? Soll eine Aufarbeitung der RAF erreicht werden, die am Ende, wie es schon während der RAF-Ausstellungsdiskussion hieß, doch noch „ die nicht naiven Ziele“ in die Zukunft hinüberretten soll? Eine Geschichtsschreibung, die die Bewegung des hunderttausendfachen Mitläuferheeres der RAF im Nachhinein doch noch sanktionieren soll? Geht es um das letzte Gefecht gegen den Rechtsstaat, der allerdings im Fall der RAF ohnehin schon gnädiger gewaltet hat als bei anderen Mördern?
Eine Begnadigungsdebatte haben die alten Herrenbündler immerhin hinbekommen und nun attackieren sie und eine kleine, aber lautstarke Schar von ein paar Journalisten, Politikern und Künstlern jeden, dem die gnädige Privilegierung Klars nicht auf Anhieb einleuchtet, als Kampagnenführer, Todesstrafenbefürworter, Verfassungsfeind, Demokratiefeind und als Feind an und für sich.Man fragt sich, warum ein paar Unbelehrbare ihre uralten Verirrungen heute auf Kosten von Klar und auf Kosten der Gesellschaft und des Rechtsstaates, auf den sie sich zu allem Überfluss scheinheilig berufen,offenbar um jeden Preis, retten wollen.
Der jetzt zu vernehmende Aufschrei von Klar darüber, dass der Beginn seines Freiganges in Vorbereitung seiner möglichen Regelentlassung 2009, ausgesetzt wurde, ist verständlich. Er beschuldigt aus Unwissenheit, und auch, um sich es sich nicht mit seinen fatalen Freunden zu verderben, die Falschen. Diejenigen, die ihm das eingebrockt haben, sind seine Campaigners, die sein Leben benutzen, um sich nach dreißig Jahren wieder mit ihrem Faible für Revolution und RAF ins Spiel und in die Medien zu bringen.
Während die RAF-Genossen in den Gefängnissen saßen, lebten die Revolutionsfürsten a la Peymann wie feudale Maden im Speck. Für die Heiß- und Scharfmacher aus dem Establishment ist Klar nur ein Bauer, ein nützlicher Idiot, während sie selber die Könige in ihren eigenen verquasten Revolutionsphantasien sind. Ob Klar 24 Jahre gesessen hat, oder jetzt Freigang kriegt oder durch ihre Medienkampagne weitere Nachteile einfängt, ist für sie nur Spiel. Der „Wiederholungszwang“, um es mit dem Wort zu sagen, dessen Geister Peymann in aktuellen Interviews aus der Gruft der Geschichte wieder erwecken möchte, hat den Theatermacher höchst selbst im Würgegriff. 30 Jahre Skandalisierung statt Substanz haben einen ausgebrannten Peymann, der allerdings den Lockermann zu geben versucht, sichtbar gemacht, dessen persönliche Tragik darin liegt, daß er sich zum geistigen Vormund von Klar aufschwingt und die Gesellschaft mit seinem eigenen RAF-Trauma schocken will. Eine fürwahr böse Form von Selbsttherapie. Klar muss es ausbaden.
Gott sei Dank ist die Bundesregierung nicht in den Mythen der siebziger Jahre stecken geblieben.Der jüngst von Frau Zypries aus dem Justizministerium verlautbarte Plan eines Gedenktages für alle Opfer der RAF im Herbst 2007 ist die gute Nachricht angesichts der jahrzehntelangen Sonderlasten, die gerade die RAF-Opfer eben durch solche Kampagnen von irrlichtenden Establishmentgrößen erdulden mussten.
Eine geänderte und gekürzte Fassung finden Sie in der Welt am Sonntag
So Klar der Klar ein Mensch ist - und seine Freiheit auch bekommen sollte - so Unklar waren seine Grußworte bei einer Gedenkveranstaltung für die Leute die von Terroristen getötet wurden.
Die RAF war die wohl dämlichste Terrororganisation der Welt - und Scharfschützen und Hohlladungsbomben gehen nicht auf ihr Konto.
Politisch sollte sich Jeder schämen der einst sein Herz daran gehangen hat.
Da war die Spaßguerilla tausendmal effizienter.
Kommentiert von: winfried aus chemnitz | 01. April 07 um 19:42 Uhr