( publiziert in der Politischen Meinung)
Die Bundesrepublik und die Weltrevolution
Von Bettina Röhl
68er-Bashing? Diese seit ein paar Jahren modische substanzlose Vokabel der sehr flexiblen und filzigen 68er zur Kritikunterdrückung gleicht der stalinschen Propaganda-Wunderwaffe in Gestalt der Formel „Nichts Neues“. Mit dieser Worthülse konterten Stalins Schergen schon in den 1930er Jahren, wenn ihnen der Massenmord und die Massenquälerei in den Gulags vorgehalten wurde, jede Kritik, nach dem Motto, das sei doch alles längst bekannt und bedürfe also keiner Erwähnung mehr. Und so kontern Kommunisten auch heute noch: der Schießbefehl und dessen Durchführung? Das war doch schon mal vor zehn Jahren an bedeutungsloser Stelle veröffentlicht, ist also nichts Neues, also irrelevant, ein Fehler den Schießbefehl überhaupt noch einmal zu erwähnen;.
Der Kommunismus und die 68er-Ideologie, um die es geht, wenn die RAF betrachtet wird, ist eine einzige, programmatische, systematische, totalitaristische Bashing-Orgie gegen alles gewesen, was sich historisch je bewegt hat oder bewegt.: Franz-Josef-Strauß-Bashing, Konrad-Adenauer-Bashing, Helmut-Kohl-Bashing, CDU-Bashing, Ehe-Bashing, Bürgertums-Bashing usw. usw. Und jetzt toppen die 68er alles, in dem sie auch noch ihre Kritiker mit der Worthülse „Bashing“ bashen. So banal das Neo-Unwort „Bashing“ ist, die 68er haben mit eben diesem 360-Grad Rundum-Bashing ( sprich Protest, Widerstand, Kritik, Gewalt, RAF usw.) ihren Sieg in der Gesellschaft errungen.
Die Revolution, gar die permanente, war Total-Bashing der Realität, alles Seienden und die Tabula rasa kann man in den Ländern, die den Kommunismus überlebt haben, anschaulich betrachten. Unter dem milliardenfachen Bashing in den letzten vierzig Jahren im Großen wie im individuellen Bereich ist die alte Bundesrepublik, wie sie tatsächlich war, verschütt gegangen. 68 und die RAF dürfen also nicht nur kritisiert werden, sondern müssen kritisch faktenbasiert entzaubert werden. und es darf kein Denkverbot durch die Vokabel Bashing erpresst werden., die nichts als ein perverse Propaganda-Trick ist
Wie war die Bundesrepublik Deutschland, die die APO - und die 68er-Bewegung zu Gunsten „besserer Verhältnisse“ mittels ihres Phantasmas namens Revolution in eine kommunistisch-sozialistisch-proletarische Diktatur als der „höchsten Form“ von Demokratie umwandeln wollten? Wer waren Konrad Adenauer und Ludwig Ehrhardt Menschen? Welche Politik betrieben sie? Was leisteten die Parlamente des nicht nur horizontal gewaltengeteilten Staates, sondern der auch noch einmal vertikal gewaltengeteilten Bundesrepublik? Was taten die Regierungen? Was machte die Justiz? Wie war die Gesellschaft der jungen Bundesrepublik nach dem zweiten Weltkrieg und der beendeten Nazidiktatur?
Diese einfachen Fragen werden nicht oder nur pro forma gestellt und die Antworten finden im öffentlichen Raum kaum statt. Der Mainstream in den Geschichtswissenschaften, hat die kurze Geschichte der Bundesrepublik ziemlich effizient zweigeteilt: In eine dunkle braune Eiszeit mit heißer kapitalistischer Ausbeutung, mit durch autoritäre Obrigkeit deformierten Menschen und unterdrückten Massen und einem System der Repression – das sei die Bundesrepublik von 1949 bis 1968 gewesen – diese Wahrnehmung ihrer damaligen Umwelt ist die eigentliche Paranoia der 68er gewesen.
Und in die heutige Bundesrepublik seit 1968, die mit APO-Protest, 68er-Gewalt, Mord- und Bombenterror der RAF erst wirklich etabliert, wenn nicht geradezu neu gegründet werden musste, in dem das früher nur auf dem Papier stehende Grundgesetz durchgesetzt und schließlich mit Leben erfüllt worden sei. Die Gesellschaft sei demnach erst seit 1968 durch Pop, sexuelle Revolution, antiautoritäre Erziehung, durch (inzwischen besser verschwiegene) Drogenexzesse, durch Liberalisierung und Rundumbefreiung der Menschen sowie einer Vermenschlichung des Systems zu einer noch nicht perfekten, aber doch lebenswerten Staatsgemeinschaft gemacht worden – das ist Hybris der 68er.
Dieses Rezeptionsverhalten eines Durchschnittsbürgers, sogar unabhängig von seiner politischen Überzeugung, ist inzwischen in geradezu erschütternder Perfektheit auf die von niemandem ernsthaft bestrittene Deutungsmacht der 68er-Ideologen und der 68er-Ideologie abgestimmt: ein intellektueller Teufelskreis. Dabei bezieht sich die genannte Deutungsmacht nicht nur auf historische oder politische Belange im engeren Sinn, sondern getreu dem Revolutionsphantasma der viele Millionen Köpfe zählenden 68er-Bewegung, die den langen Marsch durch die Institutionen des Staates erfolgreich gegangen sind, auch auf das Privatleben der Bürger.
Die von 68 Bewegten hatten eine im Wesentlichen bei Mao Tse Tung abgekupferte, simple Weltformel im Kopf: Die Vernichtung alles Seienden durch eine (permanente) Revolution, die also kein Für in Gestalt irgendeiner konkreten neuen Ordnungsidee kannte, sondern Destruktion zum Selbst- und Endzweck erklärte. Aus diesem inhaltsleeren Weltformelcharakter erklärt sich die wahnsinnige Wut und der regelrechte Hass, mit dem die 68er sich befähigt, berechtigt und geradezu historisch berufen sahen, jedem Menschen jedwede menschliche Handlung und jedweden gesellschaftlichen Mechanismus erklären zu sollen; die 68er-Ideologie ist ihrem Wesen nach eine naseweise Alles- Besser-Wisser- Sektenlehre, in der von den persönlichsten Psycho-Einschätzungen des Individuums bis zur Weltpolitik, Weltwirtschaft und der Weltgeschichte alles „beantwortet“ ist.
Das geistig-ideelle, erkenntnistheoretische Nirwana der ziellosen Revolution, für die man sich auch die passenden Haare und das gehörige Bärtchen wachsen ließ und auch sonst auszustaffieren verstand, wurde und wird ganz real mit der Scheinlegitimation aufgefüllt, dass alles, was existiert, vernichtend kritisiert ( gebasht )werden müsste. Aus der Attitüde des süffisanten, satten, überlegenen, seit langem etablierten und alimentierten Weltformelbesitzers heraus, lautet die Doktrin frei nach Rudi Dutschke, der 1967 auf einer Podiumsdiskussion mit Rudolf Augstein, Ralf Dahrendorf und allem, was Rang und Namen hatte, diskutieren durfte: Wir müssen nicht wissen, was nach der von uns initiierten (Welt)-Revolution auf dieser Erde sein wird, denn alles, was nach der Revolution sein wird, wird besser sein, als das, was eine 20 000 Jahre alte Menschheitsgeschichte kannte und besser als das, was real, vor allem in den westlichen Demokratien, existiert.
Revolution wird mit Blut geschrieben und da kommt die RAF ins Spiel. Das waren die Leute, die die „Praxis“ übernommen hatten und den Kristallisationspunkt lieferten, die die Millionen Mitläufer-Ideologen ganzer 68er-Generationen brauchten. Insofern bestand ein psycho-symbiotisches Verhältnis mit Gruseleffekt. zwischen den von 68 Bewegten und den geliebten Andreassens, Gudruns und Ulrikes und umgekehrt. Conditio für das Entstehen und Tun der RAF war die revolutionsfaszinierte APO-Bewegung, aus der die 68er hervorgingen. Conditio für den Sieg der 68er-Ideologie in der Gesellschaft war die Existenz und waren die Taten der RAF. Das selbsttätige Vehikel der Medien, etwa der Alarmismus der Springer-Medien und die verantwortungslose, kaum verborgene Sympathie, wie sie in den meisten anderen Medien wie etwa stern, Frankfurter Rundschau, Spiegel, ZEIT und prominenten Sendungen der öffentlich-rechtlichen Sender zelebriert wurde, etablierte die RAF mit samt ihrer 68er-Ideologie zum Mainstream.
In der zweiten Hälfte des Jahres 1977 gab es den Kairos: Die RAF explodierte und implodierte; Schleyer-Mord, die Entführung der Lufthansamaschine Landshut, der Tod der in Stammheim einsitzenden Führungskader der RAF durch Selbstmord. Fast eine Staatskrise, aber eben nicht wegen ein paar RAF-Figuren, sondern wegen des gewaltig seit 1967 angestiegenen Sympathisantenheeres bis in die Institutionen hinein und der vielfältig ausgestalteten Unterstützung der RAF durch die DDR, Palästina usw. Auch danach war die Gewalt im linken Namen noch lange nicht beendet. Man erinnert sich an die Auseinandersetzungen um die Startbahn West oder an die Demonstrationswut der AKW-Krieger. Neue unbekannte RAF-Generationen mordeten weiter. Im Schatten eines einsetzenden Akzeptanzprozesses der Gesellschaft begann die 68er-Bewegung institutionell über ihren Marsch in die Apparate, aber noch viel mehr über ihre Okkupation der Kunst, der Medien, der Geisteswissenschaften und des geistig-kulturellen Lebens insgesamt Establishment zu werden und die alten Eliten abzulösen. Es wurde schick ein bisschen Revolution, ein paar Brüche in der eigenen Biographie zu haben.
Fast im Quadrat der Entfernung von den Geschehnissen des Jahres 77 fraß sich die Krake der Verklärung, der Sinneinhauchung, der Moralisierung der RAF, der eigentlichen Pestbeule der 68er-Bewegung und gleichzeitig ihr ganzer Stolz, in das gesellschaftliche Bewußtsein und viel schlimmer noch in das öffentliche Unterbewusste. Durch die ethische Politur, die man der RAF in den achtziger und neunziger Jahren zuteil werden ließ, wurden massenhafte Straftaten der 68er aus deren Revolutionsjahrzehnt vergessen gemacht, sie wurden mitpoliert. Die Terminologie „Jugendsünden“ gegen einen repressiven Staat, also in Wahrheit keine Sünden, setzte sich durch. Und die RAF selber wurde ebenso wie ihr Personal zu einem regelmäßig revivelten Kultobjekt, die Schizophrenie in den Veröffentlichungen wurde Standart. Hier muss an die eigens für die 68er von der damaligen, so düsteren Bundesrepublik 1969 erlassene Amnestie für die angeblich politisch motivierten Rechtsbrüche erinnert werden. „Politisch“, das war das Zauberwort neben dem Zauberwort „Revolution“ und beide Wörter wirkten wie Legitimationsjoker und haben in den biographischen Erinnerungen der 68er immer noch diese bis heute gesellschaftsrelevante Wirkung.
Durch die Schaffung einer artifiziellen historischen Stunde Null im Jahr 1977, am Ende des roten Jahrzehnts, nachdem sich eine revolutionäre Protest-Parallelgesellschaft zehn Jahre lang mit punktuell bürgerkriegsähnlichen Zuständen in der damaligen Bundesrepublik ausgetobt und abgearbeitet hatte, die nun selber zu den kapitalistischen Trögen vorstieß, ist das historische Geschehen davor, nämlich die zwanzig Jahre, die seit der realen Stunde Null, 1949 bis zum Beginn des roten Jahrzehnts vergangen waren, wie ausgeschaltet.
Die Geschichtsschreibung lehrt, zumindest wenn man sich auf das konzentriert, was bei einem durchschnittlichen Schüler, Studenten oder Bundesbürger ankommt, daß die Bundesrepublik vor 1968 nur aus ein paar wenigen, permanent wiederholten, düsteren Chiffren bestanden hätte: Aus dumpfer Nierentisch-Idylle, einem stupiden Wirtschaftswunder, einer zwangsbeglückenden Vollbeschäftigung, Heimatfilmen und ein paar meistens unter Mitwirkung der „ friedliebenden“ DDR enttarnter oder vermeintlich enttarnter Globkes und Lübkes. Ansonsten, so die historische Gefühlsvermittlung der 68er, sei das Leben in der Bundesrepublik bis 1968 ein lebensunwertes Leben mit autoritären Strukturen in den Familien, Schulen, Universitäten und Betrieben gewesen; Notstandsgesetze und Atomrüstung und immer wieder Franz Josef Strauss, das sind die Stichworte, mit denen das Leben von sechzig Millionen. Menschen über zwanzig Jahre hinweg als zutreffend und abschließend beschrieben, dargestellt werden. Und dann der Widerstand, der Freiheitskampf, die Sprengung der Fesseln der Entmündigung und die sexuelle Revolution, das sind die Werturteile, die sich die Protestbewegung selber anklebte und die ihr Zugpferd, die RAF, auch als Siegel vor sich her trägt. Fazit: Der Terror der RAF ist in der öffentlichen Wahrnehmung bis heute ein entgleister Freiheitskampf.
Wer sich der Beschreibung der RAF nähert, in dem er deren Untaten, deren Irrungen und Wirrungen, deren Revolutionsspielerei nachzeichnet, wie es etwa in den jüngst in der ARD ausgestrahlten, beiden RAF-Filmen „Der Krieg der Bürgerkinder“ und „Der Herbst des Terrors“ geschehen ist, verfehlt, unabhängig von den dort enthaltenen Fehlern und der teilweise fatalen Selektion und der hemmungslosen Schonung der im Film auftretenden Täter das Thema. Darauf, wann ein Baader oder ein Boock wen ermordete, kommt es nicht an. Eine kriminalistische Nachzeichnung der Taten lenkt von der eigentlichen Sache ab. Es geht nicht um ein paar Täter, die sich RAF nennen, es geht vielmehr um die Ideologie der 68er, die mittels der RAF durchgebombt wurde. Es geht um den geistig-politischen Paradigmenwechsel, um den Sieg der 68er-Bewegung und, wenn man so will, des mythologisierten Phänomens, der RAF. Das turnusmäßige Reviveln der RAF ist de facto Lagerkampf der 68er, die sich und ihren Kampf um die Macht und die von ihnen reklamierte Neugründung der Bundesrepublik feiern und sich selbst dann, wenn sie die Macht innehaben, noch als die bessere Opposition verkaufen.
Die bekämpften bürgerlichen Parteien, die die bekämpften Bürger vertreten, haben es bis heute in vierzig Jahren nicht verstanden den Alt- und den Neo-68ern ideell, visionell, sinnstiftend etwas entgegen zu setzen. Moralisch haben sich die bürgerlichen Parteien latent unter Generalverdacht stellen lassen. Sie haben es verabsäumt der Gemengelage aus Fiktionen und Wertentscheidungen, mit der die 68er-Ideologen die faktische Seite der Geschichte der frühen Bundesrepublik regelrecht konstruiert haben, durch simple historische Richtigstellung entgegen zu treten und die Vorzüge und Qualitäten der Bundesrepublik in den fünfziger und sechziger und auch noch in den siebziger Jahren, vor dem Sieg von 68, zu beschreiben und den Zerstörungsirrsinn der Revoluzzer zu dekuvrieren.
Das Moment der Paranoia, das der Treibsatz für den destruktiven Aktionismus der 68er gewesen und zum Teil in nachlaufenden Denkschemata noch heute zu finden ist, ist der Erklärungsschlüssel für die Gewaltfaszination, die die 68er-Bewegung ausgemacht hat und die durch die RAF bedient wurde.
Die strategische Hilfe der DDR und der Westkommunisten, die beide keine großen Sympathien für den Menschentypus 68 und die RAF hegten, die sie aber dennoch als nützliche Idioten der Westunterminierung unterstützten, ist zwar ein wichtiges Kapitel, aber nicht die Haupterklärung für die Effizienz der RAF. Es waren zwar die marxistisch-kommunistischen Ideen der Enteignung, die als Zauberformel der automatischen Entstehung des Neuen Menschen galten und es waren die Ideen der Weltrevolution, die allein den Kapitalismus, der die Quelle des Imperialismus und des Kolonialismus sei, abschaffen könnten, doch die 68er hatten einen anderen Stallgeruch als die Altkommunisten, weshalb sie sich selber irrtümlich für etwas Neues, etwas Besseres, etwas Demokratischeres hielten; Mao Tse Tung, Ho Tschi Minh, Che Guevara, demokratischer Sozialismus und daraus ein diffus gemengter Pudding, den man nicht an die Wand nageln kann, das war die Utopie 68.
Man muss die RAF ignorieren, wenn man sie verstehen will. Man muss sich auf die Analyse des Wassers, in dem die RAF schwamm und bis heute schwimmt, konzentrieren und auf das aktuell agierende Establishment, das seine RAF immer noch feiert und diese Feier der ganzen Gesellschaft immer noch aufzwingt. Die RAF war zu keinem Zeitpunkt die Lösung, sondern immer das größte Problem und die 68er-Bewegung hat nichts gebracht, was ohne sie nicht mindestens in gleicher Qualität entstanden wäre, aber sie hat viel zerstört und es ist kein Zufall, daß die Bundesrepublik relativ im Weltmaßstab abgesunken ist.
Die RAF war keine Kleinigkeit und die 68er-Bewegung war eine Massenbewegung, allerdings war sie eine Minderheit, die über die Mehrheit gesiegt hat. Dieses undemokratische Moment korrespondiert mit der Gewaltlatenz, die als außerparlamentarische Durchsetzung der Ideologie für richtig erachtet wurde. Dieser Linksfaschismus ( Jürgen Habermas) ist ein Element, auch der heutigen ergrauten, etablierten 68er-Bewegung geblieben, das nach wie vor bestimmt, was politisch korrekt ist.
Bettina Röhl
Geb. 1962; Publizistin, Hamburg.
In 2006 veröffentlichte sie das Buch
„So macht Kommunismus Spaß!“
EVA, Hamburg.
Sehr geehrte Frau Röhl,
als lernwilliges nun westbeheimatetes DDR-Gewächs habe ich Ihren Artikel mit großem Interesse gelesen.
Mein Bild der 50er/60er Jahre der BRD setzt sich wesentlich auch aus den Kernaussagen zusammen, die Sie als 68er Lügenpropaganda anklagen. Aber ich konnte es ja nicht selbst nachprüfen, damals.
Schade finde ich daher, dass Sie nicht darstellen, wie SIE denn die deutschen Verhältnisse damals charakterisieren würden.
Ergänzend wäre zu fragen, ob es denn UNWAHR ist dass:
- die deutsche Frau tatsächlich sehr unterdrückt war (auch von Gesetzes wegen),
- eine deutsche Frau kein eigenes Konto haben durfte,
- dass Sie ihren Mann fragen musste, wenn sie arbeiten gehen wollte,
- außerehelicher Sex Schande war,
- es (vor allem in kirchlichen) Schulen und Erziehungsheimen völlig legal die Prügelstrafe gab,
- Günter Wallraff die Arbeitswelt in "Ganz unten" zutreffend beschrieben hat,
- Familien üblicherweise TATSÄCHLICH patriarchalisch, unterdrückerisch und oft angstdominiert waren,
- in großen Teilen Deutschlands Kirchgang quasi Pflicht war und Atheisten ein Ansehen wie Kinderschäner hatten...
Und falls ja: War das OK? War es falsch, das zu bekämpfen?
Das sollen keine Behauptungen sein, wenngleich mir nach wie vor etliches davon zu stimmen scheint. Aber wie gesagt: Ich stelle absichtlich nur die FRAGEN und lasse mich gerne belehren.
Mit besten Grüßen,
Ulrich Berger
Kommentiert von: Ulrich Berger | 06. Januar 08 um 17:06 Uhr
Liebe Frau Röhl,
ich bin nun nach der Lektüre Ihres Textes etwas hin- und her-gerissen. Ich selbst wurde 1974 geboren, wunderte mich als 3jähriger im Jahr 1977 darüber, dass im Radio ständig von Touristen und Terroristen gesprochen wurde und konnte beides nicht unterscheiden.
Als Teenager fand ich dann die RAF cool, hielt sie für moderne Robin Hoods.
Während meiner Studienzeit hatte ich dann die "Ehre" einige selbsternannte Protagonisten der 68er Bewegung persönlich kennenzulernen. Danach war mir buchstäblich zum k..tzen zu Mute, denn schnell fand ich heraus, dass diese Alt-68er in Wahrheit konservativer, reaktionärer und intoleranter waren als alles, gegen das sie je revoltiert haben. Eine andere Meinung zu haben, das war bei den lieben Alt-68ern verboten, man wurde gleich als Nazi und Faschist beschimpft, wenn man ihre kruden Ansichten über die Welt mit einem dezenten "ja, aber..." hinterfragte. "Political Correntness" oder besser gesagt widerliche Gedankenzensur im Sinne von Orwell's "1984" sind nur eine der unangenehmen Folgen dieser "Kulturrevolution".
Wenn ich aber genauer nachdenke, haben die 68er langfristig zumindest bewirkt, dass sich mehr und mehr Bürger getraut haben, den Mund aufzumachen und für ihre Belange einzustehen. Ich erinnere mich, wie in den 1980er Jahren alle inspiriert waren von dem Gedanken, dass man mit Graswurzelpolitik und Bürgerinitiativen die welt besser machen kann. Etwas, das der globale Neoliberalismus mit seiner permanenten Schürung von Existenzängsten (à la "Wenn Du bei Rot über die Ampel gehst, wird Dein Arbeitsplatz nach Osteuropa verlagert und Du landest in der Gosse") gerade wieder effektiv zerstört.
Nun bin ich verwirrt. Was soll ich nun halten, von diesen 68ern?
Herzliche Grüße,
Sascha Stradtmann
Kommentiert von: Sascha Stradtmann | 15. Dezember 09 um 11:48 Uhr