Die schwarz-grüne Koalition in Hamburg war nicht nötig / Ihr Mehrwert steht in keinem Verhältnis zu bundespolitischen Risiken
Von Bettina Röhl in der Magdeburger Volksstimme
Das Kalkül Angela Merkels mittels des bundespolitisch eher bedeutungslosen Hamburger Bürgermeisters Ole von Beust erstmalig die Karte Schwarz-Grün zu spielen – oder ist es doch Grün-Schwarz ? – ist für die CDU nicht ungefährlich. Ist es vordergründig verständlich, dass Merkel mit der ersten schwarz-grünen Landesehe den Koalitionspartner SPD auch im Hinblick auf die nächste Bundestagswahl schocken und auch die FDP das Fürchten lehren will, so könnten die schwarzgrünen Spielereien leicht zur Neuauflage einer sozialliberalen Liaison führen. Eine sozialliberale Koalition könnte dann sehr schnell eine sympathische Sogwirkung entfalten und die Grünen könnten den Schwarzen wieder abhanden kommen und sich dann doch auf das rot-gelbe Sofa setzen. Und die Union guckt in die Röhre.
Für eine neue Opposition steigen die Chancen
Bereits die Große Koalition in Berlin, die zurzeit allerdings ohne Alternative dasteht, stellt das parlamentarische System auf eine Probe, die groß genug ist. Wenn die Grünen jetzt durch ein Bündnis mit den Schwarzen als Magnet für außerparlamentarische Kräfte weg fallen, eröffnet dies unnötige Chancen für das Entstehen einer neuen außerparlamentarischen Opposition – siehe Attac und Globalisierungsgegner – der zur Zeit nur das geeignete Personal fehlt.
Hatten die alten grünen Schlachtrösser von Joschka Fischer, Daniel Cohn-Bendit bis Renate Künast in ihren Zeiten noch ihre Kommilitonen vom schwarzen RCDS an den Universitäten physisch geängstigt und traktiert, so ist die junge Generation der Grünen smart, schick und karriereorientiert. Die luxuskapitalistischen ökolinken Grünen, die ihrem Wesen nach eine Protestbewegung geblieben sind, erleben seit 2005 einen rasanten Transformationsprozess hin zu einer Neo-B ürgerlichkeit, zu einer neuen, sich bunt und multikulturell gebenden Spießigkeit. Trotzdem : solange die Grünen von ihrem alten Führungspersonal und ihren alten Strukturen, zum Beispiel aus den Frankfurter Häuserkampfzeiten, nicht befreit sind, können diese kein wie auch immer gearteter Partner bürgerlicher Parteien sein.
Doch nun gibt es auch außerhalb von Hamburg die eigenartigsten lautstarken Befürworter einer schwarz-grünen Koalition, und zwar genau dort, wo es traditionell ausgeschlossen war. Will etwa ein Günther Oettinger mit seinem Lockruf einen grünen Persilschein wegen seiner Filbinger-Ä ußerungen ? Will Joschka Fischer, der weder in der grünen Basis noch in der aktuellen grünen Führungsriege sonderlich gut ankommt, aus den Medien heraus, wo er eine letzte Bastion hat, den neuen Cyber-Vorsitz der Grünen übernehmen, wenn er jetzt eigenmächtig Schwarz-Grün auch für den Bund propagiert ? Über Fischer schwebt ja immer noch das Damoklesschwert seiner allzu gewalttätigen Vergangenheit. Erhofft er sich nun schwarze Absolution ?
Joschka Fischers Argumentation, Schwarz-Grün sei ein quasi normaler Schritt, wie einst die Bildung der ersten rot-grünen Koalition in Hessen 1985, ist falsch. Die wilden, teils bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, die es in den siebziger Jahren ( und später im Zusammenhang mit der Antiatomkraftbewegung ) gegeben hatte, fanden unter gemeinsamer Beteiligung von den damaligen Jung-Grünen und den Jusos, der Jugendorganisation der SPD, statt. Es gab also einen großen politisch-biographischen Schulterschluss zwischen grünem und rotem Protest und insofern waren die rot-grüne Koalition 1985 und nachfolgend die rot-grüne Bundesregierung von 1998 so etwas wie ein harmonisches Geschwisterbündnis. In beiden Parteien waren es die 68 er, die gemeinsam das damalige Protestpotenzial trugen. Der erklärte Feind seit 1968 war die CDU, war die CSU und waren die Gleichaltrigen vom Ring christlicher Studenten und von der Jungen Union.
Die Ehe mit den Grünen hat der SPD geschadet
Die langjährige Ehe Rot-Grün hat der SPD geschadet und zu deren Niedergang beigetragen. Das muss der 68 er Kurt Beck im Schlepptau mit der nachgewachsenen Altlinken Andrea Nahles jetzt realisieren. Auch die Union muss nun Obacht geben, dass sie als Wirtstier der Grünen nicht langfristig zum Verlierer wird. Damit, dass die Union etwas mehr Öko anbietet, was sie sowieso tut, und damit, dass die satt gewordenen Grünen einen Rechtsruck machen, ist es nicht getan. Die so genannten Kompromisse in allen Politikfeldern, in Wirtschaft, Bildung, Umwelt, Sicherheitspolitik, Atomkraft, können sehr leicht zu einer Verwässerung der Positionen des größeren Partners – hier der Union – führen. Viele konservative Wähler wählen die Union vor allem deswegen, weil sie Rot, aber eben auch Grün verhindern wollen.
Ole von Beust hat die Jugend von Hamburg bereits jetzt verraten und verkauft : Die bildungspolitische Entscheidung zu Gunsten einer sechsjährigen gemeinsamen Grundschule aller Kinder in Hamburg, das erste Zugeständnis der Schwarzen an die Grünen, ist eine unverantwortliche Nivellierung junger Menschen bis zum 13. Lebensjahr. Dies ist keine Reform, sondern eine Katastrophe, ein ideologischer Rückschritt. Das Ganze trifft auf eine verkürzte Schulzeit bis zum Abitur, und die diesermaßen ausgebildeten Menschen sollen dann an den gerade eben in Deutschland
Chance und Risiko zugleich ist die Tatsache, daß die Grünen ihrer Wurzeln nach eine Bürgerbewegung sind und nicht aug einem gesellschaftspolitischen Fundament verankert sind.
Die Grünen vereinigen bürgerliche Wurzeln, christlichen Humanismus, Protestpotential und linke Ströhmungen unter einem Dach.
Es ist jedoch erstaunlich welcher Wandel sich in dieser Partei vollzogen hat. Der moderne, doch so offene Grüne entpuppt sich mehr und mehr als konservativer Öko-Spiesser...
Andererseits hat die CDU/CSU mit dem christlichen Menschenbild als Grundlage Ihres politischen Handelns auch eine gewisse Schnittmenge mit den Grünen.
Ob eine Koalition jedoch eine Win-Win-Situation darstellt bleibt abzuwarten. Es ist zumindest im Gegensatz zur "Rot-Stasi-Koalition" ein akzeptabeler Versuch.
Kommentiert von: Jürgen Striedieck | 29. Mai 08 um 03:07 Uhr