In ihrer gestrigen Sendung hat sich Anne Will entschuldigt. Dies ist positiv zu bewerten. Friedbert Pflüger gebührt die demokratische Ehre, die man ihm nicht abschneiden sollte.
von Bettina Röhl, erschienen am 9.6.2008 auf dem Mainstreamreport bei Welt online
Die rot-rote Berliner „Erfolgsspur“, die es schlechterdings nicht gibt, empfahl Anne Will in ihrer wöchentlichen Talkshow vorvergangenen Sonntag dem deutschen Wahlvolk als Modell für die Bundesrepublik Deutschland: Rot-rot, warum eigentlich nicht! Ihre Werbeveranstaltung hatte Anne Will versucht faktisch zu untermauern. Dabei war ihr bekanntlich der Fehler, der die gesamte Sendung beherrschte, unterlaufen, in dem sie behauptete, dass der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit und sein PDS-Vize Harald Wolf aus 60 Milliarden Euro geerbten Schulden ein Guthaben von 100 Millionen Euro im Jahre 2008 gemacht, also in Berlin einen Gewinn von 60,1 Milliarden Euro in sechs Jahren rot-roter Regentschaft heraus gewirtschaftet hätten.
An dieser ebenso evidenten wie diametral der Wirklichkeit entgegen stehenden Aussage der Sendung, ändert die Entschuldigung, die Anne Will zu Beginn ihrer gestrigen Sendung „in eigener Sache“ losgewordenen ist, natürlich nichts. Sie entschuldigte sich aber immerhin unter Verzicht auf die sonst bei dererlei Gelegenheiten üblichen Relativierungen, wie etwa „wir bedauern ein Missverständnis“, was soviel heißt, wie dass man keinen Fehler gemacht hat und dass stattdessen der Zuschauer schwer von kape sei.
Der Sache nach war die bedingungslose Entschuldigung Anne Wills jedoch in zweifacher Hinsicht eine (erneute) Irreführung. Zum einen wurde der Irrtum erregt, als erschöpfte sich der Fehler darin, dass Anne Will den Schuldenstand Berlins von 2001 statt mit rund 40 Milliarden mit ungefähr 60 Milliarden angegeben hätte. Indes, ein derart laxer Umgang mit vielen Milliarden Euro Volksvermögen war nur der kleinere Teil der falschen Tatsachenbehauptungen. Es gab, wie gesagt, keine zu isolierende Falschaussage Anne Wills. Die gesamte Sendung war inhaltlich in toto faktisch entgleist: Der von Anne Will erfundene haushalterische Geniestreich der Rot-Roten, der für Berlin bedauerlicher Weise nicht stattgefunden hat, hatte die Moderatorin auf eine sehr verhaltene, aber nicht zu übersehene Art euphorisiert, denn sie glaubte quasi als Erste das Wunder von Berlin entdeckt zu haben und es nun dem Publikum präsentieren zu können.
Substanziell wäre eine Entschuldigung also dann eine solche gewesen, wenn Anne Will frank und frei erklärt hätte, dass ihre gesamte rot-rote Sendung, die sicher von der SED/PDS/Linkspartei und ihrem Vormann Lafontaine als ein erster Kairos im Auftakt des rot-roten Bundestagswahlkampfes geplant war, ein einziger Aussetzer gewesen ist. Das erscheint hart, aber es ist korrekt.
Das schwant Anne Will auch selber, wenn man den Ausdruck „schwanen“ in diesen Tagen noch verwenden darf. Sie sagte in ihrer Entschuldigung: „ein Grund“ für die Kritik an ihrer rot-roten Sendung sei eben der von ihr falsch kolportierte Schuldenstand Berlins im Jahr 2001, womit sie sagt, dass es weitere, allerdings weit entscheidendere Gründe gab, die in ihrer Märchenerzählung zum rot-roten Berliner Senat eine Rolle gespielt haben. Eine auf falschen Fakten basierte Fehlanalyse, die zur Grundlage einer ganzen Talkrunde wurde – das ist kurz und knapp die zutreffende Beschreibung der missglückten rot-roten Sendung. Für wahr ein Entschuldigungstatbestand.
Nebenbei bemerkt: die in den Medien aufgetauchten Einzelstimmen, dass Oskar Lafontaine, der Gast in der rot-roten Willsendung war, von Will begünstigt worden sei und von deren Fehler profitiert hätte und diesermaßen der große Sieger der Sendung gewesen sei, erschließt sich nicht. Lafontaine (der aus irgendeinem Grunde Mao Tse Tung im Gesicht immer ähnlicher zu sehen scheint) hat keine gute Figur gemacht, sonst wäre ihm auch der Labsus nicht passiert, Angela Merkel fälschlich eine Ausbildung in Moskau anzudichten.
Die beanstandete Will-Sendung zeigt exemplarisch, wie stark die Tendenz in den Medien verbreitet ist – unabhängig von jeder politischen Couleur, so es eine solche heutzutage noch gibt - nach 2 ½ Jahren Merkelismus auf die tradierten Pfade zurück zu kehren und einer (diesmal roten) Protestpartei den Teppich auszurollen.
Für die Linkspartei wurde die Will-Sendung vom vorletzten Sonntag nun nachträglich ein Rohrkrepierer. Conditio für diesen Rohrkrepierer waren Mut und Spontaneität eines Friedberg Pflüger, der rot sah. Hätte er nicht die bei flüchtiger Betrachtung unauffällige Will-Sendung wegen ihrer ungeheuerlichen Falschbehauptungen öffentlich angegriffen und zu der härtesten, scheinbar aus jedem Rahmen heraus fallenden, Forderung gegriffen, dass Anne Will aus dem öffentlich-rechtlichen Programm heraus zu nehmen sei, wäre nichts passiert und die Linkspartei, die in den meisten Bundesländern und im Bund vom Verfassungsschutz beobachtet wird, hätte einen (unverdienten) Riesenpunkt gemacht. Viele Zuschauer hätten sich geärgert, hätten aber wohl resigniert.
Unwissentlich und unwillentlich hatte Will immerhin die Tatsachen zu Gunsten Rot und zu Lasten Schwarz ver-rückt und zwar in einer Art und Weise, die die Forderung nach Konsequenzen keineswegs verrückt erscheinen lassen. Gleichwohl wurde der Fall, der ausschließlich ein Fall Anne Will ist, vielerorts auf eine sehr unangenehme Art und Weise als ein Fall Friedbert Pflüger medialisiert: ein „Mameluck“, der die „Hitze“ nicht verträgt, und der mit „dünner Haut“ auf einen bloßen „Zahlerdreher“ Anne Wills quasi hysterisch überreagiert hätte und nicht vertragen könnte, dass er nur 23 % der Stimmen bei der letzten Berliner Wahl erreichte, ein CDU-Politiker, der die Pressefreiheit beschnitte, weshalb „russische Verhältnisse“ vermutet wurden. Und der djv, häufig irrlichtend, dekretierte: Kritik an Anne Will vielleicht gerade eben noch, eine Forderung nach deren Absetzung sei allerdings nicht „erlaubt.“ („Da hat die Politik zu schweigen“)
Maulkorb für Politiker?
Demokratie ist indes nicht nur ein Verfassungsrecht. Demokratie ist ein Gebot des deutschen Grundgesetzes. Demokratie ist ein Synonym für Parlamentarismus und für den Antagonismus von Regierung und Opposition. Die demokratisch legitimierte Opposition nimmt ihre Verpflichtung durch das Opponieren wahr. Und dies innerhalb des Parlamentes selber, aber auch in der Öffentlichkeit und im Besonderen in der Medienöffentlichkeit. Wo Kommunikation und Meinungsmultiplikation stattfindet, darf der Politiker sich einmischen, wie es so schön heißt, und er muss sich einbringen in einer Situation, in der er feststellt, dass politisch relevante Fehlinformationen verbreitet werden, wie Anne Will es getan hat.
Pflüger hat sich durch seinen öffentlichen Aufschrei als Demokrat qualifiziert. Pflüger hat sich in zweifacher Weise demokratische Meriten verdient: Die Linkspartei erweckt bei vielen Zweifel an ihrer Verfassungstreue und es ist gewiss ein demokratisch höchst legitimierter Akt, wenn der Berliner Oppositionsführer von der CDU die dorten mit regierende Linkspartei kontrolliert und den Wähler vor sachlich falscher Anpreisung der Linkspartei, zum Beispiel durch eine Anne Will, schützt.
Und auch ein dritter, nicht gern gehörter, Aspekt ist in diesem Zusammenhang hervor zu heben: Es ist oft viel leichter einen Politiker in den Medien zu kritisieren und mit den heiligen Sakramenten der Pressefreiheit in der Hand einen Politiker zum Rücktritt aufzufordern, als umgekehrt, einen mächtigen Pressevertreter, wie hier Anne Will, überhaupt zu kritisieren, gar eines Recherchefehlers zu überführen und dies mit der Forderung nach dessen Absetzung zu verbinden.
Anne Will ist wie wenige andere Sendungen und Personen der ARD und des ZDF auch, wie Staatsfernsehen. Sie wirkt bis zu einem gewissen Grad wie eine nicht gewaltengeteilte Staatsmacht. Sie selektiert Nachrichten und Personen, sie administriert Meinung, sie be- und verurteilt, sie setzt Normen und sie übt medial Trend beeinflussende Wirkung aus. Und dies vor allem, weil ihr Beschlussgremien der ARD den auserkorenen Sendeplatz übertragen haben. Und sie lebt genauso wie ein Politiker, nur sehr viel besser, von öffentlichem Geld. Und deswegen muss sie sich in besonderer Weise kontrollieren lassen. Manche Stimme in den Medien wäre gute beraten gewesen nicht artifiziell die Dinge auf den Kopf zu stellen und aus dem Fall Will einen Fall Pflüger zu machen, den es nicht gibt; Will hat einen Fehler gemacht, Pflüger hat sich bemüht ihn zu korrigieren, und dies natürlich zum Nachteil seines politischen Gegners und zum eigenen Vorteil.
Es hat relativ lang gedauert, bis Pflüger aus einer eigenen Partei Unterstützung bekam, die ihm schließlich vor allem der Kulturstaatsminister Bernd Neumann gab. Vorpreschende CDUler werden bekanntlich gern feige von ihrer eigenen Partei im Stich gelassen und gerade deshalb war das klare Farbe bekennen Pflügers besonders mutig und für den Bürger nützlich.
Man könnte sagen: Anne Will hatte mit ihrer missglückten Sendung massiv in das politische Geschehen eingegriffen. Und Pflüger hat sie in ihre journalistischen Schranken gewiesen, in dem er sie auf journalistische Fehler, insbesondere fatale Recherchemängel, hingewiesen hat. Nun also die Entschuldigung und die "kapitalistische Fehlerkompensation" lieferte Anne Will in ihrer letzten Sendung gleich mit.
Wie gesagt, dass Anne Will sich überhaupt entschuldigt hat, bleibt positiv zu bewerten. Und diese Feststellung kann nicht nur einfach eine Höflichkeitsfloskel sein. Friedbert Pflüger gebührt die demokratische Ehre.
hey ganz wichtig auf der wetseibe ist ein fehleruser warning: Can't create/write to file /tmp/#sql_2530_0.MYD' (Errcode: 17) query: SELECT DISTINCT b.* FROM drupal_blocks b LEFT JOIN drupal_blocks_roles r ON b.module = r.module AND b.delta = r.delta WHERE b.theme = minnelli' AND b.status = 1 AND (r.rid IN (1) OR r.rid IS NULL) ORDER BY b.region, b.weight, b.module in /var/www/localhost/piratenpartei-bayern.de/www/modules/block/block.module on line 403.
Kommentiert von: Cris | 10. April 12 um 11:29 Uhr