Endlich! Geschafft! Obamas historische Rede vor der Siegessäule in Berlin am gestrigen Abend war ohne Wenn und Aber eine große Enttäuschung: keine Substanz, keine Idee, kein Humor. Kein Charme. Kein Sex-Appeal. Keine politische Aussage, keine politische Routine. Von weltpolitischer Relevanz keine Spur. Das Urteil kann nur vernichtend ausfallen. Ein Greenhorn zwischen Konfirmand und Schwiegermutters Liebling, ein Mainstream-Surfer, angepasst, anti-rebellisch und ein politisch perfekt Korrekter, ein pathetischer Prediger - das war die Realität dessen, was Obama abgeliefert hat.
von Bettina Röhl Mainstream Report bei Welt online
Auch in Deutschland gibt es bekanntlich einen ausgeprägten Antiamerikanismus, aber wenn die Deutschen den überwinden, werden sie amerikanischer als die Amerikaner selbst und so liefen 200 000 Menschen in Berlin zur Siegessäule, um Obama zu hören, mehr als Obama im großen Amerika je auf einer Veranstaltung zusammenbrachte.
Klar, dass sich erfüllen musste, was sich zuvor angestaut hatte. Das Obama-Fieber wirkte und der Rausch verlangt, dass es toll war, weil der Rausch sonst keinen Sinn gemacht hätte. Ergo gibt es alle Superlative, die Obama beinahe zu einem Extraterrestrischen machen und dennoch ist deutlich, dass der absolute Knalleffekt ausblieb.
Es lag ein urgewaltiges Verlangen in der Luft nach einem neuen Messias, nach einem neuen Führer. Dass Obama solcherlei Erwartungen nur enttäuschen konnte scheint relativ klar, dass bei einer solchen hysterisierten Konstellation Enttäuschung nicht an Obama fest gemacht wird, sondern anderswo, bei jedem so, wie er solche Situationen eben handhabt, darf vermutet werden.
Obama tourt nun seit 1 ½ Jahren Richtung Präsidentschaft und es wird langweilig, dass er über Change und we can und alles new – auf manchen berühmten Waschmitteln steht das Wort neu seit Jahrzehnten, auf der sich verändernden Verpackung und dem sich ändernden Inhalt – nicht hinauskommt.
Weltpartnerschaft, Atomwaffenfreiheit dieser Erde, neues Verhältnis der Amerikaner zu Europa und dem Rest der Welt und umgekehrt. Und Co2-Belastung der Umwelt und das Schaffen der besseren Welt für unsere Kinder und die Terrorbekämpfung und raus aus dem Irak und rein nach Afghanistan – das alles sind Überschriften, die man in jeder Dorfpredigt hört. Nur die komplexen Lösungsideen und deren Begründungen sind nicht einmal im Ansatz zu erkennen. Wahrscheinlich hätte reale Politik das Obama-Fieber auch gestört.
Es ist überhaupt nicht zu erkennen, was ein Präsident Obama dieser Welt realiter Neues oder gar Besseres bringen würde, als ein Bush gebracht hat oder was ein McCain brächte.
Eben noch wurde ein anderer berühmter Amerikaner, Tom Cruise, wegen seiner Weltverbesserungs- und Reinigungstiraden aus der Scientologie-Church angegriffen und von TV-Historiker Guido Knopp im Januar 2008 gar, etwas abwegig, mit „Joseph Goebbels“ verglichen und für tumb und gefährlich erklärt. Der Sache nach hat Obama bisher nicht viel mehr gebracht. Und seine „Church“ und sein Leib-und Magen-Prediger, von dem er sich inzwischen distanziert hat, werfen genauso viele Zweifel auf, wie Tom Cruisens Scientologen. Sie haben nur einen anderen Stallgeruch, von dem seine Fans gern möchten, dass es ein modischer neuer linker sei.
Auch ein Tom Cruise würde Obamas Rede vor gleicher Kulisse gleichwertig auf die Leinwand bringen. Was Obama abgeliefert hat, ist genau das, was ein typischer Hollywoodschauspieler seiner Generation sich unter US-Präsidentschaft oder gar Weltpräsidentschaft vorstellt. Ein bisschen Ipod, ein paar coole Gesten und ein Hauch von Oskarverleihung und ein bisschen Love Parade sind typische Accessoires. Obama spannt den Bogen von den Rappern zu den Yuppies, die trotzdem nichts miteinander zu tun haben und er scheint auf den Geschmack von Luxus und Privilegien gekommen zu sein.
Obama scheint eine Lücke auszufüllen. Heimlich religiös-spiritistische Sehnsüchte gerade von rationalen Funktionierern jüngerer und mittlerer Generationen, die sich derart systemkonform durchs Leben bewegen und unterdrückte Ausbruchs – und Bessere-Welt-Phantasien haben, scheinen in Obama ein Ventil zu finden, jemanden an dem sie Träume festmachen und dem sie entgegen ihren sonstigen Gewohnheiten hinter her laufen. Sicher ganz ungewollt ist Obama eine Art Rattenfänger-Effekt zugewachsen. Er begeistert Leute, die normalerweise gar nicht für irgendein Idol begeisterungsfähig sind.
Die wahre Person Obamas kam hinter seiner Fassade nicht zum Vorschein. Journalisten fertigt er eher kühl ab und es war erstaunlich zu beobachten, wie seine eigene Kühle und beinahe Emotionslosigkeit im diametralen Widerspruch zu dem gruppendynamisierten Enthusiasmus seiner Fans stand. Obama in Schlips und Kragen vergoss keine Schweißperle, während manch einer seiner sommerlich leicht bekleideten Fans beim bloßen Zuhören ins Schwitzen geriet. Obama verzieht keine Miene. Man hat den Eindruck, dass ihn auch nichts bewegt, was seine Gesichtszüge wieder spiegeln könnten. Eine gewisse Arroganz und auch eine gewisse Blasiertheit scheinen seine Pulsfrequenz niedrig zu halten.
In Deutschland scheint es ausgemachte Sache zu sein, dass Obama Präsident wird. In Amerika, wo am 4. November gewählt wird, hat John McCain sicher noch seine zurzeit nicht riesig aussehende Chance.
Wenn die Obama-Blase nicht wie die Blase der New Economy zerplatzen soll, wird Obama hart arbeiten müssen, um Substanz zu akkumulieren, was Amerika und der Welt sehr zu wünschen ist, da die Chancen seiner Präsidentschaft in Berlin gewiss nicht gestiegen sind, aber gleichwohl hoch erscheinen.
Man hat das Gefühl, dass Amerika während der einwöchigen Weltreise Obamas, auf der er in einer Art Crashkurs Außenpolitik lernen, machen und demonstrieren soll, durchatmet: ein Mal sieben Tage Obama-frei, außer natürlich im Fernsehen.
Dieser Wahlkampf in Amerika ist von einem undemokratischen Moment geprägt: Es gibt eine in der Sache ebenso eigentlich ausgeschlossene wie auch unter dem Gesichtspunkt des Fairplay gelegentlich schon unmoralisch zu nennende gesamtmediale Präferenz für Obama, die seit Monaten das Geschehen beherrscht. Diese Präferenz machte es Hillary Clinton, die in Wahrheit gegen die Medien verloren hat, schwer und sie bewirkt, dass die politische Substanz irrelevant wird.
Ein McCain kann in der Sache sagen, was er will, es nützt der Sache und ihm selbst nichts. Und Obama kann es beim „Change“ und „we can“ bewenden lassen. So ist der Wahlkampf, das demokratischste Geschehen, das eine Demokratie zu bieten hat, die eigentliche Erfüllung der Demokratie von einem undemokratischen Element durchzogen. Obama ist eine Art Mr. Correct und das bedeutet, dass das Argument an Bedeutung verliert. Obama ist zum Programm seiner Partei geworden und jetzt ist er dazu verdonnert die Substanz nach zu liefern.
Was an McCain rechts und an Obama links sein soll, erschließt sich bei genauerem Hinsehen nicht. McCain hat bereits Substanz. Obama hat die Chance diese zu akkumulieren. Insofern ist der Präsidentschaftswahlausgang am 4. November kein Datum, an dem eine großartige Weichenstellung für diesen Globus erfolgt.
Man darf die Sache und auch Obama getrost etwas auf den Boden zurück holen und etwas nüchterner betrachten, als der Massen- und Medienhype in der Bannmeile der Siegessäule es vorgelegt haben. Obama for president, na bitte, auch das. Aber dann muss schon noch ein bisschen was Neues kommen. Obama muss sich selber changen und das muss auch glaubhaft und verlässlich rüberkommen. Deswegen ist es so furchtbar egal, was Obama sagt. Hauptsache er ist da und im Herzen.
Und die deutschen Politiker? Von Grün bis CSU reagieren sie artig begeistert auf die Obama-Rede. Keiner will Spielverderber sein und alle wollen dabei sein. Wonach wird sich zeigen.
Fiktiv scheint Obama schon US-Präsident zu sein. Jetzt kann ihn nur noch der reale Urnengang am 4. November auf den Boden herunter holen.
Sexueller Mißbrauch an Odenwaldschule
"Buch Cohn-Bendits in neuem Licht"
Q:
http://www.netzwerk-regenbogen.de/menode100307.html
Kommentiert von: Sweety | 11. März 10 um 17:57 Uhr