Hat Obama seinen persönlichen Kairos überschritten?
von Bettina Röhl auf: Der Mainstream Report bei Welt online
Der demokratische Bewerber um die US-Präsidentschaft Barack Obama wollte vor der historischen Kulisse des Brandenburger Tor in Berlin und vor zumindest heimlich erhofften 100 000senden von deutschen Jubelfans zum deutschen Fenster heraus eine groß angelegte Rede halten, direkt in die Bildschirme der amerikanischen Wähler hinein. Diese Redepläne haben sich inzwischen weltweit herum gesprochen.
Dann trat die deutsche Kanzlerin auf die politische Weltbühne. Sie tat es der englischen Königin gleich und sagte sinngemäß: Barack, I’m not amused! Das reichte und Obama knickte ein: Ok, Angie, nichts für ungut, ich will Berlin und suche mir einen anderen Platz.
Jetzt war Berlins Wowi not amused. Allzu gern hätte er den nächsten Beinahe – oder vielleicht real werdenden Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika am Brandenburg-Gate umarmt. Schließlich hält er sich selber ja auch für den richtigen Kanzlerkandidaten (der SPD). Obama möchte nicht so gern in der Provinz Berlins, nämlich im zuständigen Bezirksamt Mitte antechambrieren, um den Redeort „Brandenburger Tor“ durchzusetzen und er möchte Merkel nicht brüskieren, weshalb er seine Location-Scouts auf Berlin-Tour geschickt hat, um eine geeignete Alternative zum Brandenburger Tor ausfindig zu machen, deren es in Berlin sicher viele gibt.
Was wäre die Welt ohne die Meinungsforscher, die sich wie Heuschrecken am politischen Kuchen satt fressen, dessen täglich neu gerührte Backmischung sie selber kräftig mit bestimmen? Diese Meinungsforscher wollen heraus gefunden haben, dass 60 % der Deutschen anders denken, als die Kanzlerin und den Redeort Brandenburger Tor, der jetzt wohl vom Tisch ist, begrüßen würden, und dass gar 72 % der Deutschen Obama-Enthusiasten seien.
Und die deutschen Medien? Mehrheitlich im Obama-Fieber. Der republikanische Präsidentschaftsbewerber John McCain kam bis jetzt jedenfalls etwas unterrepräsentiert in der deutschen Presse vor. Soweit McCain vorkam, wurde er vor allem als „Vietnam-Veteran“ gezeichnet, an dem das seit acht Jahren übliche Bush-Bashing möglicherweise fortexerziert werden könnte.
Die gefürchtete und respektierte, aber ungeliebte Hillary Clinton ließ den bis dahin völlig unbekannten Barack Obama im amerikanischen Vorwahlkampf strahlen. Er avancierte zum It-Boy (siehe hier im Mainstream Report den Beitrag "Qualifizierte Frau unterliegt It-Boy" ) seine Parolen waren der Zahl nach klein und inhaltlich schwach bis zur völligen Inhaltsleere. Richtig, er war der Kandidat, der den großen „Change“, den großen „Wandel“ versprach und dies mit der ziemlich abgedroschenen Motivationsformel „Yes, we can“ bekräftigte. Obama ist in atemberaubender Geschwindigkeit zur neuen personifizierten Wunderwaffe der neuen Welt-Linken aufgestiegen, ohne selber ein Wunder zu sein oder ein Wunder anzubieten.
Seit Hillary Clinton ihre Niederlage gegen Obama in den Primeries eingestanden hatte, sank der It-Faktor des so genannten neuen Kennedy und die politische Realität begann ihn einzuholen. Jetzt ist er Mitbewerber neben John McCain und das Gladiatoren-Spektakel der Primeries is over.
Obamas Befürwortung der Todesstrafe hat den roten Lack beschädigt, zumindest außerhalb der USA und auch sonst wird von Tag zu Tag deutlicher, dass Obama mit Wasser kocht und weder der stärkste noch der profilierteste US-Politiker ist. Wohl auch deshalb veröffentlichte Obama die Liste der Songs, die er auf seinem iPod gespeichert hätte, ein Mix mit Titeln für jedermanns Geschmack. Ob der mächtigste Mann der Welt, der Obama werden will, überhaupt einen iPod braucht mag dahin stehen, aber der It-Faktor, so offenbar das Kalkül, sollte mit der iPod-Nummer sicher aufgebessert werden.
Obama hat Charisma, das hört, sieht und liest man überall, ergo muss es stimmen. Obama gehört zur Generation von Tom Cruise, Meg Ryan, Demi Moore und Johnny Depp, der Generation, die von den 68er-Generationen zuvor als apolitische Luxusgeneration gescholten wurde und es zum Teil auch war und ist. Es ist die Generation, um es auf Deutsch zu sagen, zwischen den Post-68ern Beckmann und Kerner, Eva Herman und Amelie Fried, unpolitisch und gleichzeitig politisch korrekt bis zum Anschlag. (Herman machte allerdings nach Jahrzehnten mainstreamförmiger Bilderbuchfrauenkarriere vor zwei Jahren eine Kehrtwendung ins Unkorrekte). Es handelt sich um die Generation, die stets von sich behauptete, weder links noch rechts zu sein, die sowohl Karriere machen, als auch für Umweltschutz sein wollte, also etwas cool über den Dingen zu schweben glaubte, die tatsächlich aber immer im Mainstream schwimmt.
Was an Obama links sein könnte, erschließt sich nicht. Obama wird vom schwerreichen und enorm einflussreichen demokratischen Establishment, in das er aufgestiegen ist, getragen.
Obama offenbart, seitdem er der demokratische Kandidat geworden ist, schon jetzt noch vor seiner förmlichen Nominierung durch den anstehenden Parteitag der Demokraten politische Schwächen und unsere deutsche Angela Merkel hat ihm jetzt mit dem Florett eine ganz persönliche Blessur beigebracht. Statt vor Merkels in Wahrheit äußerst riskantem politischen Spiel zu kuschen, hätte Obama auch mit einer autoritären Charmeoffensive an Merkel vorbei und gegen Merkel mit dem Segen von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und mit Wowi und dessen Berliner Bezirkskadern das Brandenburger Tor erobert haben können und auch müssen, wenn er derjenige ist, für den ihn so viele Menschen halten. Er hätte Merkel, die sichtlich auf den Charme eines Sarkozy abfährt und die sich gerne von George W. Bush persönlich hofieren ließ, mit einem kurzen Anruf „überwältigen“ können.
Selbst eine schroffe Absage seiner Berlin-Reise wäre, richtig kommuniziert, eine böse Niederlage für Merkel geworden und hätte geholfen den in Amerika in die Defensive geratenen Obama vor dem Image-Schaden, die ihm seine Berlin-Eskapade bereits jetzt eingetragen hat, zu bewahren. Obama macht den Versöhner und gibt den Ausgleichenden, das ist bei ihm aber keine Stärke, sondern das ist seine persönliche Schwäche. Er beherrscht die hohe Streitkultur nicht. Ihm fehlen auch Sachkenntnisse und ihm geht dadurch die richtige Einschätzung, zum Beispiel auch der deutschen Stimmungslage und der deutschen Medien ab. Wie gern hätten große Teile der deutschen Medien den Siegertypen Obama, der das Brandenburger Tor stürmte, auf die Empore gehoben, schon allein um der so beliebten Merkel endlich doch noch vor der Bundestagswahl 2009 eins reinzuwürgen.
Dass Obama sang-und klanglos vor der von Merkel dahin gehauchten Vokabel Befremden gleich in sich zusammensackt, ist eine große Enttäuschung. Die meisten Menschen wissen nicht, warum sie enthusiastisch Obama-Fans sind, so jedenfalls offenbar die Einschätzung von Obama, denn er wollte vor dem Brandenburger Tor seinen Fans mit einer historischen Rede zeigen, wer er ist und wofür er steht. Und diese beiden Kleinigkeiten sind im Obama-Fieber bisher in der Tat auch weitestgehend unbekannt geblieben.
Merkels, wie gesagt, äußerst riskantes Spiel, war völlig überflüssig und man darf annehmen, dass Merkel selber die Tragweite ihrer Äußerung, dass sie über Obamas Redepläne am Brandenburger Tor befremdet sei, nicht bewusst war. Jetzt hat sie, egal wie die Sache mit der Obama-Rede in Berlin ausgeht, durch glückliche Fügung gewonnen. Fakt ist: Nichts, aber auch gar nichts spricht dagegen, dass die Präsidentschaftskandidaten McCain oder Obama am Brandenburger Tor reden. Eine normativ dagegen stehende Tradition gibt es nicht.
Merkel hat geschafft, was Hillary Clinton versagt blieb, sie hat nämlich Obama geschafft, mit welchen Konsequenzen auch immer, für die zukünftigen deutsch-amerikanischen Beziehungen, falls Obama Präsident werden sollte. Auf dem Parkett der hohen internationalen Diplomatie, der Strategie und Taktik ist Obama einmal baden gegangen. Merkel hat ihm eben 2 ½ Jahre Amtszeit voraus und mit diesem Sieg dürfte das Wachstum der Haare auf ihren Zähnen befördert worden sein. So ist sie auf dem Weg eine zweite Margaret Thatcher zu werden.
In Tor-Schlusspanik
Während Obamas Team nun in notdürftig kaschierte Tor-Schlusspanik Berlin absuchen und er selber in Amerika, wo Europa eigentlich nicht das beherrschende Wahlkampfthema ist, jetzt die US-Medien wegen seines Versagens auf dem internationalen Parkett beschwichtigen muss, offenbart sich, dass die bisher mehrheitlich Obama-freundlichen Medien in Amerika und das überwiegend Obama- unterstützende Hollywood nur den Anlass des Berlin-Debakels genutzt haben könnten, um zu ihrem Idol erstmalig auf Distanz zu gehen.
Es ist noch ein langer Weg bis zum Wahltag in Amerika im November des Jahres. Jetzt darf man erst einmal gespannt sein auf den 24. Juli warten, an dem Obama, wo auch immer, in Berlin zum amerikanischen und zum deutschen Volk sprechen wird. Sein Merkel-Gate wird sicher nicht ohne Einfluss auf den Inhalt seiner Rede bleiben.
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