John McCain hatte den richtigen Instinkt und Palin hat ihn nicht enttäuscht. Die Demokraten müssen sich warm anziehen.
von Bettina Röhl / Mainstreamreport Welt online
John McCain ist seit gestern Abend Ortszeit offiziell der Präsidentschaftskandidat der Republikaner. Seine Bestätigung auf dem Parteikonvent in St.Paul / Minnesota war reine Formsache. McCain wird heute zum Abschluss der auf Betriebstemperatur hochgefahrenen Veranstaltung seiner Partei die große Abschlussrede halten und sich dem Wahlvolk als der bessere der beiden Kontrahenten um den Einzug ins weiße Haus präsentieren.
Gestern erschien McCain nur kurz auf der Parteitagsbühne, um sich seinen Applaus für seine Personalentscheidung für Sarah Palin als Vizepräsidentin bei den Delegierten abzuholen. Und in der Tat McCain hat auf die ihm eigene Art eine richtige und gute Wahl getroffen, zur Überraschung aller.
Der Höhepunkt des gestrigen Tages war die Antrittsrede von Sarah Palin. Diese war bis gestern, seit ihrem plötzlichen Betreten der politischen Weltbühne vor fünf Tagen, von medialen Gegnern der Republikaner mit immer neuen Skandalkreationen traktiert worden. Umso größer war der Erfolgsdruck, der auf Palin lastete. Nachdem der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani mit seiner fulminanten Rede die Delegierten und das Parteivolk in Stimmung gebracht hatte, trat Sarah Palin ans Rednerpult: eine Mischung aus Andrey Hepburn und Claudia Cardinale und ganz viel Hockeyfrau aus der Vorstadt. Ein bisschen Lara Croft und ganz viel Gouverneurin des öl- und eisreichen Bundestaates Alaska. Bodenständigkeit, Authentizität, Glanz und Glamour in einem – das bringt Palin in ihrer Person mit.
Frank und frei stellt Palin ihre Familie vor und die kann bei dieser Vorstellung mithalten. Das war anders aber besser als Angelina Jolie und Brad Pitt. Und aufgrund der Souveränität, mit der Palin ihre bis vor wenigen Stunden unbekannte Familie zeigte, machte es auch mehr Spaß dieser Familienshow zuzusehen, als der abgenudelten Hollywoodnummer.
Das vier Monate alte Baby Trig wanderte während der Rede Palins aus den Armen von Cindy McCain in die Arme von Todd Palin, dem Ehemann von Palin und landete schließlich auf dem Schoß der siebenjährigen Palin-Tochter Piper, die sichtlich Spaß hatte. Deren ältere Schwester, die 17.jährige im fünften Monat schwangere Tochter Bristol Palin und ihr zukünftiger Ehemann Levi Johnston, deren frühe Elternschaft tagelang auf geradezu abenteuerliche Weise durch die Weltmedien gejagt worden war, wirkten freudig angeregt, aber gelassen und der 19.jährige Sohn Palins, Track, der in wenigen Monaten als Soldat in den Irak ziehen soll, wurde der Weltöffentlichkeit vorgestellt, obwohl seine Chancen tatsächlich in den Irak eingezogen zu werden inzwischen wie im Fall des englischen Prinzen Harry auf Null gesunken sein dürften. Und Todd Palin, der Ehemann, der Ölarbeiter, der Fischer, die Jugendliebe, der Weltmeister im Snowmachine-Fahren, der mit Baby Trig auf dem Arm trotzdem männlich wirkte, lächelte offen und sympathisch. Er sei, wie Palin in ihrer Rede betonte, nach zwanzig Jahren Ehe und fünf Kindern immer noch ihr Typ.
Die ungeheure Leistung der Palin
Man muss sich vor Augen führen welche Wegstrecke Palin von der Provinz in das Zentrum des Weltgeschehens in wenigen Tagen zurück legen musste, um ihrer Leistung gerecht zu werden, die sie dann mit ihrer Rede ablieferte. Eben noch „Schulsprecherin“, dann Dorfbürgermeisterin, dann Gouverneurin in einem 600 000-Seelenland. Und dann klingelt das Telefon und jemand fragt: Willst Du Vizepräsidentin der USA werden. Wenn ja, musst Du übermorgen eine perfekte Rede vor weltweit vielleicht 50 oder 100 Millionen oder mehr Menschen halten. Zwischendurch musst Du auch noch einige Schmutzkampagnen gegen dich und deine Familie überstehen und der gemeinsame Gegner Obama ist bereits ein etablierter Säulenheiliger mit Big Papa Joe Biden an der Hand.
Wenn man sich diese Strecke Weges, die Palin zurück legen musste, von ihrer eigenen Entschlussfassung an vor Augen hält dann ist ihre starke und nach vorne schauende Antrittsrede eine sehr beruhigende Größe im politischen Weltkonzert geworden. Dieser Frau traut man gern die Vizepräsidentschaft an und auch im unwahrscheinlichsten Fall der Fälle gern den Oberbefehl über die amerikanischen Streitkräfte.
Die Souveränität, kein bisschen übers Ziel hinaus schießend, keine Flucht ins Pathos - all diese Qualitäten ihrer Rede waren beeindruckend. Palin blieb politisch auch bei ihren Leisten und stellte ohne Übertreibung ihre Leistungen in ihrem noch kurzen Politikerleben in Alaska dar und ihre Leistungsbilanz im Umgang mit Filz und Korruption und einer knallharten Ölindustrie kann sich sehen lassen.
Inhaltlich bot die Rede nicht wesentlich mehr als die meisten Präsidentschaftsbewerberreden in Amerika, die alle regelmäßig recht vage sind. Aber sie brachte etwas rüber und war per Saldo überdurchschnittlich detailliert, was nicht einmal die primäre Aufgabe eines Vize ist. Den kalten, absolut humorfreien, ironieunfähigen Saubermann Obama ließ Palin mit dieser ersten Rede bereits alt aussehen. Palin drückte es so aus: Obama gebraucht die Vokabel Change zur Förderung seiner Karriere. McCain und Sie hingegen wollen Karriere machen, um Change bewirken zu können.
Obama predigt inhaltsleer aber stimmgewaltig seit 1 ½ Jahren - von den Medien und devoten Anhängern, wie Palin sagte, hofiert – kreuz und quer übers Land und hat dabei einen Intensivkurs in Rezitation absolviert. Wenn Palin 1 ½ Jahre learning by doing hinter sich haben wird und auch sie Anhänger gewonnen haben wird, werden ihre rhetorischen Fähigkeiten denen des Obama haushoch überlegen sein. Auch ihre Stimme, die noch manchmal etwas dünn ist, wird an Kraft zulegen. Es macht Spaß, dass mit Palin erstmalig eine Frau unter McCain auf den politischen Gipfel steigt.
Palin lieferte deutlich mehr konkrete politische Zielvorstellungen als Obama sie in seinen stereotypen Reden der vergangenen 18 Monate zusammen bringen konnte. Obwohl ein Präsidentschaftsbewerber eine politisch-konzeptionelle Bringschuld hat, hat sich Obama nachhaltig geweigert diese zu erfüllen. Nebulöse Schönrednerei mit „Change“ und „Yes, we can“ und der einzigen Botschaft, dass der jetzt kraft Verfassung aus dem Amt scheidende Bush nach acht Jahren zu verhindern sei, ist nicht geeignet die Bringschuld zu erfüllen. Wahrscheinlich ist es so, dass die akquisitorische Effizienz der Obama-Predigten gerade darin zu sehen ist, dass sie hohl und leer sind und jeder dieses Vakuum mit seinen eigenen Projektionen von einer besseren Welt, ungestört von konkreten politischen Gegebenheiten, auffüllen kann.
Oder ist Palin auch einfach nur It?
Palin war witzig und spritzig, selbstironisch und auf eine sehr gesunde Art aggressiv gegenüber den Demokraten und speziell gegenüber Obama. Sie sprach klipp und klar für eine amerikanische Energiepolitik; sie sprach sich für die Erhöhung der Ölforderung im eigenen Land, für den Bau neuer Atomkraftwerke und für die Förderung der Nutzung von Sonnen- und Windenergie aus. Und verband dies mit dem Ziel Amerika von Importen aus unsicheren Ländern unabhängig zu machen. Dieses wirtschaftlich und politisch außerordentlich wichtige Themenfeld hatte Obama sträflich vernachlässigt.
Sie attackierte unausgesprochen Obamas irreales Steuerversprechen 95% aller arbeitenden Amerikaner massiv entlasten zu wollen und sprach die Tatsache expressis verbis an, dass Obamas Steuerpolitik per Saldo im Gegenteil eine Erhöhung der Steuerlast der Bürger mit sich brächte. Sie attackierte die staatliche Regelungswut, mit der Obama im Falle seines Wahlsieges die US-Gesellschaft überziehen würde.
Palin ist jünger als Obama und sie besitzt, wie Rudy Giuliani frotzelte, anders als Obama, der in Sachen politischer Erfahrung im knallharten administrativen Tagesgeschäft nichts „nothing“, „nada“ vorzuweisen hat, kurze aber einprägsame und von Leistung gekennzeichnete Regierungserfahrung. Sie dekuvrierte in ihrer Person und mit ihrer Rede die Kampagne der nervös gewordenen Demokraten, dass man Palin noch nicht die Präsidentschaft und das Oberkommando über das Militär anvertrauen könne als einen peinlichen hilflosen Versuch bloßer Diskreditierung. Sie zeigte damit: So, wie die Demokraten die Sache angehen, kann man die Regierungsmängel von Obama, die in dessen Unerfahrenheit liegen, sicher nicht vom Tisch wischen. Wer mit dem Kandidaten derartig im Glashaus sitzt, sollte sich bei seinen Attacken gegen Palin etwas anderes überlegen. Palin hat sich als eine hervorragende Reservepräsidentin gezeigt und auch gezeigt, dass sie noch Entwicklungspotenzial hat, das sie offenkundig auch in kürzester Zeit in reale politische Fähigkeiten umwandeln kann.
Die Republikaner kämpfen gegen einen gesichtslosen, vielköpfigen Gegner, gegen einen Obama, der der Liebling des Establishments ist und der zugleich über beachtliche demagogische Fähigkeiten verfügt. Jedenfalls hat er trotz der Monotonie seiner emotionalisierenden Reden noch kaum an Attraktivität in seinem Wählersegment verloren.
Palin schaffte das Ungeheuerliche: Sie stellte in Sekunden, von der Weltöffentlichkeit fast unbemerkt, Denk-und Empfindungsweichen. Sie sprach aus, was McCain vorgegeben hatte, dass man einen Krieg auch für die beste Sache der Welt legitim nur führen darf, wenn man ihn auch gewinnen kann. Sie sprach vom Sieg im Irak und sie sprach damit auch vom Sieg bei den Präsidentschaftswahlen am 4. November. Die Demokraten müssen sich warm anziehen.
Und Palin schaffte auch das Ungeheuerliche, dass sie festgeschweißte Weichenstellungen in den Medien aufbrach. Sie tat etwas, was normalerweise von den Medien brutal aggressiv beantwortet wird, sie hat die Medien wegen ihrer Obamania gescholten und vielleicht sogar mit dieser Schelte für bisher fehlende Akzeptanz der Republikaner in den Medien Sorge getragen. Sie bewirkt, dass das Wort "Republikaner" nicht mehr eo ipso erst einmal ein Schimpfwort ist. ( für viele) Den Sieg ihrer Rede kann man auch daran ermessen, dass klassisch demokratenfreundliche Medien der Person Palin und deren Charme über Nacht wohlwollend begegnen. In Amerika und auch hierzulande. Siehe zum Beispiel dieser Bericht in der taz. Oder dpa., Zeit und noch mal Zeit.
Im direkten Vergleich Palin - Obama schneiden die Republikaner in jedem Falle sehr gut ab, insbesondere, wenn man das Handicap Palins gerade einmal eine Handvoll Tage überhaupt bekannt zu sein in die Rechnung einbezieht. Palin wird Wählerstimmen holen, was bei dem offenkundigen Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden Lager ausschlaggebend sein könnte.
Wer da sagt, Obama träte doch gar nicht gegen Palin an, sondern sei selber Präsidentschaftsbewerber legt den Finger genau auf den entscheidenden Punkt. Obama ist in Wahrheit eine Nummer zu klein für das Präsidentenamt, jedenfalls dann, wenn man als Alternative einen John McCain haben kann. Wäre Obama Vize-Anwärter sähe das ganze Spiel vielleicht anders aus. Vielleicht hätte er Hillary Clintons Angebot aus dem Frühjahr ihr Vize zu werden angenommen haben sollen.
Der Vize der Demokraten, Joe Biden, habe bei seinem Anlauf auf seine eigene Präsidentschaftskandidatenbewerbung weniger Stimmen amerikaweit erhalten als Palin bei ihrer Gouverneurswahl in Alaska, so lautete der zutreffende Spott Giulianis über den Vize von Obama.
John McCain hatte den richtigen Instinkt und Palin hat ihn nicht enttäuscht.
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