Halbzeit der Großen Koalition nach zwei Jahren:
Damals am 18.9.05 schrieb ich ( in Cicero online):
Da im Zweifel alle Koalitionen, die jetzt theoretisch zur Verfügung stehen, eine Halbwertzeit haben, die unterhalb der vier Jahre der deutschen Legislaturperiode liegt, bleibt eigentlich als Lösung nur das kleinste Übel einer große Koalition. Einerseits wären so sofortige Neuwahlen, die zu Recht niemand will, vermeidbar und andererseits könnte eine große Koalition von vorne herein beschließen in einem definierten und noch zu schaffenden, rechtlichen Rahmen vorzeitige Neuwahlen herbei zu führen.
Hier der ganze Artikel:
Nach der Wahl die Qual !
Merkel hat die Bundestagswahl verloren. Schröder auch. Journalisten und Demoskopen haben sich mehrheitlich in ihren Wahlprognosen geirrt. Das Wahlvolk hat ein Patt entschieden. Bleibt als Lösung nur noch eine solide Übergangsregierung?
Von Bettina Röhl

Der Wähler hat gesprochen und sein vernichtendes Urteil über die Unionskanzlerkandidatin Merkel gefällt. Der Wähler hat auch die Demoskopen vorgeführt und auch die vielen sich früher rot-grün gerierenden Wendehälse unter den Journalisten, die den sicheren Sieg Merkels seit Monaten antizipierten und sich bereits voll dem Neokonservativismus oder dem Neoliberalismus an den Hals geworfen hatten.
In den letzten Tagen vor der Bundestagswahl waren, so schien es, vor allem die Hauptstadt- Journalisten so gut wie aller Medien in ein heißes Dostojewskysches Spielfieber verfallen und hatten bis zum Wahltag wie an einem Roulettetisch abwechselnd und oft genug gleichzeitig ihre Chips auf Rouge oder/ und Noir gesetzt. Der Ich-Journalismus schlug Blüten. Die Selbstdarstellung manch eines Journalisten, der sonst um den Anschein von Distanz und Objektivität bemüht war, mündete in teils penetranten, zur Schau gestellten Fragen an sich selbst, den Leser und Prominente: Wen wählen Sie? Wen wählst Du? Wen wähle ich selbst? Wen soll, darf, muss und kann man (noch) wählen?
Das Roulettekarussell drehte sich immer wilder und verrückter und jene zunehmend mehr auf ihren persönlichen Gewinn spielenden Journalisten schienen die Realität vor lauter Umfragen, Stimmungen und auch wegen der selbst täglich neu geschaffenen, inflationären Medienwirklichkeiten mehr und mehr aus dem Auge verloren zu haben.
So gesehen hatte der sonst von den Medien gestreichelte und gehätschelte Gerhard Schröder, der sich am Wahlabend wie mit einem Wundermittel gedopt präsentierte ( Westerwelle sinngemäß: Ich weiß nicht, wo Sie gerade her kommen?) recht, als er sich lautstark dahingehend verbreitete, dass einzelne Medienmacher ihre Macht manipulativ missbraucht hätten. Sicher ganz und gar unbewusst hatte es in der Tat einen kurzen Wahlkampf lang in vielen Medienköpfen gemerkelt. Und jetzt die Ernüchterung: der Wähler hat das Roulettespiel beendet und die Kugel auf die Null gelegt: Nix da Rouge mit ein bisschen grün oder Noir mit ein bisschen gelb. Es scheint: Rien ne va plus.